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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 7
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Detzel, Heinrich: Das Germanische Museum zu Nürnberg von 1852 bis 1902, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0084
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teils als Marodestall, teils als Stroh-
magazin, teils auch stand er, wie einige
kleinere Gebäulichkeiten von untergeordneter
Bedeutung, und wie die an den Kreuz-
gang angebauten ehemaligen Mönchszellen,
leer.

Nach vielen, vielen Unterhandlungen
und Schwierigkeiten — war es ja nahe
daran, daß das Museum nach Koburg
gekommen wäre — gelang es endlich im
Jahre 1857, Bewilligung und Mittel zum
Ankäufe der Kartause zu erhalten. Gleich
auch schon am Tage nach der Uebergabe,
am 21. April 1857, hatten die Wieder-
herstelluugsarbeiteu begonnen, die zunächst
die beiden Flügel au der Kartäusergasse
(später Bibliothek und Archiv) und die
Zellen betrafen. Am 6. Juni konnte der
Neubau eines Flügels, der das General-
repertorinm und die Geschäftszimmer anf-
nehmen sollte, unter Dach gebracht werden.
Ferner wurde dann der innere Hof hinter
dem langgestreckten Gebäude an der Kar-
täusergasse durch das Militär geräumt und
dem Museum übergeben, am 27. März
1858 das Banmaterialienniagazin, am
22. Oktober die Kirche und endlich am
5. November 1858 die Schmiede. Ueberall
regte sich sogleich die wiederherstellende,
bessernde oder auch neugestaltende Hand,
und manche reizvollen Einzelnheiten des
alten Baues, Estriche, Säulen, Holzdecken,
namentlich die des ehemaligen Refektoriums
der Kartäusermönche, kamen dabei zum
Vorschein oder wurden wieder in das
richtige Licht gesetzt und so zu neuer Wirk-
ung erweckt.

Das Jahr 1859 brachte die Enthüllung
eines großen Freskogemäldes Wilhelms
v. Kanlbach, das als ein bedeutungs-
voller Schmuck der Südwand der Kirche noch
heute ans das größere Publikunr einen
starken Eindruck macht und als eine Art
Wahrzeichen des Germanischen Museums
betrachtet wird. Es stellt dar, wie im
Jahre 1000 Kaiser Otto III. Karl den
Großen noch als Leiche sitzend ans dem
Kaiserstuhle in seiner Herrlichkeit, doch
starr und unmächtig, das Reichsschwert in
der Rechten, das Evangelienbuch als Schutz-
herr der Kirche auf den Knieen haltend,
in tiefer Gruft des Domes zu Aachen nach
fast 200jähriger Grabesruhe besucht; er-
staunt und erschrocken über die kaiserliche

Majestät seines großen Vorgängers, bleibt
Otto auf der Treppe der Kaisergruft stehen.
Im Jahre 1861 stiftete Kaiser Wilhelm I.
für die „Kunsthalle" des Museums ein
großes, 40 Fuß hohes gemaltes Fenster,
das die Grundsteinlegung der Kartanse
zum Gegenstand hat. Der Karton wurde
nach einem Entwürfe Konglings von dessen
Schüler Friedrich Wanderer gezeichnet und
in der 5k. Glasmalerei zu Berlin ausge-
führt. Das fertige Fenster kam jedoch
nicht in der alten Klosterkirche der Kartäuser
zur Verwendung, sondern in einem 1869
zu diesem Zwecke neuerbauten kapellen-
artigen Raum, in der nach König Wil-
helm bekannten Wilhelmshalle, die sich in
das Labyrinth der alten Kreuzgänge und
Mönchszellen und stilgerechten Ein- und
Anbauten einfügt. Die Kirche war eben
erst notdürftig wieder hergestellt, die alten
Kreuzgänge aber mit ihren ehemals so
reizvollen Maßwerkfenstern lagen noch so
gut wie völlig in Trümmer», und sie wie-
der zu erneuern, war eine der Hauptauf-
gaben, die A u f s e ß sich nunmehr stellte..
Durch unermüdliche Aufrufe und Bitten,
brachte er es in kurzer Zeit dahin, daß die
Maßwerke sämtlicher 21 Fenster des nörd-
lichen Kreuzgangs von Freunden des Mu-
seums gestiftet waren und schon 1861 mit
der Verglasung begonnen werden konnte.
Daun folgte der südliche Kreuzgaugflügel.
Hier wie dort wurden Gipsabgüsse von
Grabdenkmälern in chronologischer Reihen-
folge in die Wände eingelassen, nwdurch
bei fortgesetzter, zielbewußter und sorg-
fältig ergänzender Sanunlertätigkeit im
Laufe des Jahres eine Abteilung entstan-
den ist, die zu den reichsten, originellsten
und auch lehrreichsten des Museums zählt,
ein Gipsmuse um, wie es insbesondere
für das deutsche Mittelaller sonst bisher
nirgends angetroffen wird. Die Anfänge
desselben gehen bis auf die Anfänge des
Museums zurück, mit der Aufstellung der
Grabsteine wurde bereits 1859 begonnen.

Für die weitere Ausgestaltung dieser
Sammlung, für die Fertigstellung der
Fenster und den weiteren Ausbau der
Kartause, namentlich für die Wiederher-
stellung der Kreuzgänge und der anstoßen-
den Gemächer, waren freilich die Mittel
schwieriger zu beschaffen. Doch blieb nichts
unversucht und ein Aufruf folgte dem
 
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