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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 9
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Die Form der Stigmata des hl. Franz und ihre bildliche Darstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0107

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c. 92. Das 75. Kapitel 1. c. betitelt
»de occultatione stigmatum et quid de
hoc quaerentibusresponditet quo Studio
illa tegebat« [ü6et das Verbergen der
Stigmata und was er den ihn darüber
Fragenden antwortete und wie er sie zu
verbergen suchte) handelt von der demü-
tigen Gewohnheit des Heiligen, sein Ge-
heimnis tunlichst zu verbergen, so daß
selbst seine Genossen ad multa tera-
pora [lange Zeitraumes (vergl. das »nam
diu« bei Elias) von der Sache nichts
wußten. Fragen von seiten der Genossen
meist er ab oder er weicht ihnen ans.
Seine Hände wascht er selten ganz, oft
nur die Finger; ähnlich die Füße. Statt
des Handkusses bietet er nur die Finger-
spitzen oder den Handschuh. Die Füße
wickelt er in wollene Bundschuhe und über
die Male selbst (Thomas nennt sie jetzt
»vulnera«) legt er noch ein weiches Fell.
Trotzdem gelang es ihm nicht, die Male ganz
zu verbergen, sah es jedoch nicht gerne, wenn
man seinen Blick darauf richtete. Die Ge-
nossen wandten darum in zarter Rücksicht
sich ab, wenn Franz notgedrungen Hände
und Füße aufdecken mußte — andere frei-
lich griffen zur List, mu ihre Neugier zu
befriedigen. Thomas ll, p. 3. c. 76.

lieber die Entstehung der dritten hier-
in Betracht kommenden Arbeit des Thomas
von Celano, den Traktat de rnira-
culis, ist oben das Nötige bereits vor-
gemerkt worden. Wir haben den Text
vor uns, wie er in der Analecta Bollan-
diana Band 18, 1899 uns gegeben worden
ist. Ganz wie in Thomas 11 kehrt auch hier
der Gedanke wieder, daß bei einem Manne,
dessen ganzes Wesen seit Jahren in den
Leiden und im Schmerz des Gekreuzigten
aufgegangen mar (Nr. 2), die Stigmatisation
etwas Selbstverständliches war — »qua-
tenus ut mens eius intro Dominum
crucifixum induerat, sic totum corpus
eius crucem Christi foris indueret.«
(Denn wie sein Inneres den gekreuzigten
Herrn angezogen hatte, so sollte auch sein
ganzer Leib das Kreuz Christi äußerlich
anziehe».j Mit der Schlußfolgerung »quan-
tum igitur et humana suadibile ratione
et catholica acceptione dignum — ut,
qui sic mirando crucis erat amore prae-
ventus, mirando etiam fieret crucis
honore mirificus!« (Wie sehr also ist

vom menschlichen Standpunkt glaublich
und der katholischen Auffassung entsprechend,
daß, wer so, wie Franz, durch eine ganz
wunderbare Liebe zum Kreuz zum voraus
begnadigt war, durch eine ebenso wuuder-
bare Kreuzesehre wunderbar gezeichnet
wurde!), geht die Erzählung über zur
Schilderung der Scene auf dem Berg
Alverna, wobei die Male in ganz ähn-
licher Weise wie in Thomas 1 beschrieben
werden, weswegen wir den Text nicht
miedergeben mit Ausnahme der Schilde-
rung der Seitenwunde, von der es heißt:
»dextrum latus quasi lancea transfixum,
rubra cicatrice obductum, erat, quod-
saepe, cum sanguinem emittebat, tunica
et femoralia rupergebantur sanguine
sacro.« (Die rechte Seite war wie von
einer Lanze durchbohrt, darüber war eine
rote Narbe; oft, wenn Blut herausquoll,
wurden seine Kleider mit heiligem Blute
benetzt.) Auch hier von einem Bluten der
Hand- und Fußmale kein Wort!

Nach zwei Jahren, nach dem Tode des
Franz, wird, auch nach diesem Bericht,
die Kunde des Wunders allgemein bekannt.
Hier nun bringt dieser bisher unbekannte
Traktat Berichte und Angaben, die von
der bisherigen Schilderung abweichen,
weswegen gerade e r für diese Frage be-
sonders wichtig ist. Es heißt in Nr. 5:
Cernebant beatum corpus — Christi
stigmatibus — decoratum, in manibus
videlicet non clavorum punc-
turas, sed ipsos clavos ex eius carne
virtute divina mirifice fabrefactos
(geschmiedet), immo carni eidem innatos
-— also integrierende Bestandteile seines
Leibes —, qui, dum a parte aliqua pre-
merentur, protinus quasi nervi continui
(durchlaufend) ad partem oppositam
resultabunt. Latus quoque videbant
rubricatum. sMau sah den Leib des
Seligen mit den Stigmata Christi geziert
und zwar an den Händen nicht Nagel-
stiche, sondern eigentliche Nägel, durch
göttliche Einwirkung wunderbar aus seinem
Fleische geschmiedet, ja seinem Fleisch
eigentlich angehörig, ivelche, wenn sie von
einer Seite einen Druck erhielten, wie
durchlaufende Nerven, auf der andern
Seite vortraten. Auch seine Seite sah
inan rotgefärbt.) (Fortsetzung folgt.)
 
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