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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 9
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Detzel, Heinrich: Das Germanische Museum zu Nürnberg von 1852 bis 1902, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0109
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bisher etwa die Hälfte alter festeren Ein-
nahmen absorbiert hatte. Außer From-
mann als II. Direktor nnd Vorstand der
Bibliothek und seinem Gehilfen Hektar
blieben nur A. o. Eye als Vorstand der
Sammlungen, der Zeichner Steinbrüchel
nnd Professor Alexander Flegler (1803
bis 1892t; als Kanzlist fungierte Hans
Bösch, der jetzige II. Direktor des Ger-
manischen Museums. Natürlich mußte bei
einer solchen Einschränkung des Personals
von selbst auch eine Minderung der
Tätigkeit des Museums kommen.

Mit dem 1. Januar 1870 traten für
das Germanische Museum neue, von
Essenwein entworfene Satzungen in Kraft,
und es beginnt jetzt mit diesem Zeitpunkt
eine neue Aera, eine Zeit der ruhigen
Entwicklung, eine Aera des Glanzes und
des Ruhmes. Die wichtigste Frage, die
sich jetzt nach erfolgter Neugestaltung des
Deutschen Reiches wie von selbst auf-
drängen mußte, war die, ob das Germa-
nische Museum nunmehr zweckentsprechend
in eine deutsche Reichsanstalt zu ver-
wandeln oder doch diese Umwandlung
alsbald anzustreben sein werde. Die
Frage wurde mit allen Stiurmen gegen
die des Gründers verneint. Der Haupt-
grund dieser Verneinung ivar der, daß
„bei der jetzigen Organisation des Reiches
der Raum vollständig fehle, ein Reichs-
museum einzuordnen, und die Bnndes-
behörden selbst eine solche Einreihung
nicht zu wünschen schienen". Der Bundes-
rat selbst erledigte die Frage damit, daß
er vom 1. Januar 1872 ab zuerst
8000, dann vom 14. Mai desselben
Jahres ab 16 000 Reichstaler in den
Haushalt des Deutschen Reiches ein-
stellte. Der alte Freiherr von Anfseß er-
lebte indes diesen Tag nicht mehr; am
6. Mai 1872 hat ein Herzschlag feinem
an großen Erfolgen wie an herben Ent-
tänschungen reichen Leben ein Ende ge-
macht. Er starb ans der Rückreise von
der Straßburger Universitäts-Stiftnngs-
feier nach seinem geliebten Kreßbronn zu
Münsterlingen am Bodensee, nachdem er
wenige Tage zuvor, eben während er als
geladener Gast zu Straßburg weilte, aus
Mißverständnis das Opfer einer Miß-
handlung geworden war.

Essen,veiir suchte nun die drei großen

Aufgaben, vor die er sich gestellt sah:
Abtragung der Schuldenlast, umfassende
Ergänzung der Sammlungen und Ausbau
der Kartause, möglichst zu fördern. Es
handelte sich in letzterer Beziehung vor
allem um den Ausbau des ehemaligen
Nürnberger Augustinerklosters, an dessen
Stelle das jetzige (ältere) Justizgebäude
errichtet werden sollte, nnd um die schon
1871 von Direktor Essenwein erbetene,
voin Magistrat genehmigte Uebertragung
der künstlerisch wertvollsten Baulichkeiten
des alteil Klosters auf das Areal und zu
Zwecken des Museums. Diese Baulich-
keiten waren das Hauptgebäude mit denl
St. Leonhardschor, bent Kapitelsaal, Dor-
mitorinm und einem Kreuzgangflügel so-
ivie die übrigen drei Flügel des Kreuz-
gaugs; dazu eine Reihe architektonischer
Einzelnheiten in dem edlen Stil der
strengen Gotik, in bem das ganze Gebäude
erbaut war. Anr 12. Mai 1872 fand die
Grundsteinlegung für den „Augustinerbau"
unter Teilnahme der städtischen Behörden
und vieler Freunde der Sache statt. Für
den Hauptball verstand es Essenwein, die
ganze deutsche Künstlerschaft, die deutschen
Staudesherren, den fränkischen Adeln, s.w.
ins Interesse zu ziehen. Als der „Angnstiner-
bau", der über 150 000 M. kostete, voll-
endet war — ohne einen Pfennig Bei-
trag von seiteil des Museums —, erregte
das so das Vertrauen der Reichsregierung,
daß ein außerordentlicher Bailbeitrag von
insgesamt 120 000 M. in den Reichs-
haushaltsetat (für das Etatsjahr 1877/78:
24 000 M. u. s. f.) eingestellt wurde.
Mit diesen Mitteln ist dann von 1877
bis 1880 der sogenannte Ostban des
Museums mit dem Reichshof in der Mitte,
der den nach der Kaiserin Friedrich
„Viktoriabau" genannten nördlichen voll
dem nach dem damaligen Kronprinzen
Friedrichs-Wilhelmsbau genauuten süd-
lichen Flügel scheidet, errichtet worden.
Durch das Entgegenkonlinen des Reiches
ist dann aber wenige Jahre darauf noch
ein weiterer großer Neubau möglich ge-
worden, nämlich der aus zwei Flügeln be-
stehende Südbau, der die beiden Ne-
naissancesäle, die sogenannten „alt-
deutschen Zinliner", dazu im Erdgeschoß
die Bureaus, im dritten Stock die Dienst-
wohnung für den I. Direktor nnb den in
 
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