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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 1
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Reiter, Joseph: Das Kirchlein zu Kentheim im Oberamt Calw, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0017

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stützen geeignet ist. Von Calw ans wurde
nämlich früher Jahrhunderte lang ein leb-
hafter Handel mit der Schweiz und Italien
unterhalten, und diese Handelsbeziehungen
scheinen heute noch nicht ganz erloschen
zu sein. Weiter wollen wir uns mit dem
fraglichen Wandgemälde nicht beschäftigen,
eS sei deshalb hingewiesen ans eine frühere
diesbezügliche Abhandlung, welche im Jahre
1902 in Nr. 5,' Nr. 6 und Nr. 10 des
„Archivs" erschienen ist.

Bemerken wollen wir nur das noch,
daß im Michüelskalender des Jahres 1904
auch der Geiger von Gmünd abgebildet
ist, und daß der verewigte Domkapitular
W. Pailler, welcher vor etwa 50 Jahren
in einer eigenen Schrift die Kümmernis-
sage behandelte, dieselbe auch für das
Schauspiel: „Von St. Marias Herzen"
zuin Vorwurf genommen hat. Statt der
hl. Kümmernis oder der hl. Cäeilia ist
indessen, wie schon der Name deS Schau-
spiels es andeulet, die Mnttergottes ge-
wählt, und statt des Schuhes wird —
einem bedrängten Mägdlein — ein kleines
kostbares Kreuz gereicht. — Kehren wir
zum Fenster zurück. In der östlichen Lei-
bung desselben wird eine knieende Figur
vorgeführt, welche die Hände aufgehoben
hält; das gekrönte Haupt ist von beut
blutenden Rumpfe getrennt und liegt
nebenan, oben ist ein Engel und seitlich
steckt der Henker das Schwert in die
Scheide. Wir können noch lesen: daz ist s.
— Das Wort Katharina schimmert etwas
durch und es ist kein Zweifel, nur haben
hier im Bilde die Hinrichtung der hl. .Katha-
rina. — Wo St. Katharina ist, da
vermutet man gerne auch St. Barbara
und St. Margareta, wie es ja auch in
dem altbayerischen Spruche heißt: „Bar-
bara mit dem Turm, Margret mit dein
Wurm, Kathrin mit dein Radel, Sind
die drei heiligen Madel". In Wirklichkeit
treffen wir auch die zwei anderen heiligen
Jnngfranen nicht weit davon entfernt, und
zwar in den Leibungen des östlichen
Fensters, in mehr lyrischer Auffassung.
Rechts voiil Beschauer ist die gekrönte hl.
Barbara mit Kelch (Legende oben: barbera),
links die gekrönte hl. Magareta (margrita),
bei welcher das Attribut nicht mehr er-
kannt werden kann.

Lassen wir von diesem Fenster aus den

Blick etwas höher schweifen, hinauf zu
bem Halbkreis, dann gewahren mir oben
eine im ersten Augenblick etwas dunkle
Komposition.

In der Mitte eine Gestalt, welche
3 Finger erhoben und den Typus Christi
hat, rechts von ihr eine mehr jugendliche
Figur, welche etwas wie ein Lamm hin-
hält, und links von ihr ein Mann mit
großem Hut, der etwas emporhält wie
eine Fackel. Wie, wenn das am Ende
eine besondere Darstellung der hl. Drei-
faltigkeit wäre? Der Vater hat ja bis-
weilen auch den Typus deS Sohnes, das
Lamm könnte Christum, und die Flamme
den hl. Geist symbolisieren. Oder ist es
so, wie die Oberamtsbeschreibung von
Calw meint, welche in der Figur mit
dem Lamm den heiligen Johannes den
Täufer, und in der Figur mit der
Flamme Moses mit den Gesetzestafeln
erblickt? Wir erinnern uns, daß in
zwei Werken bei diesem Gemälde Kain
und Abel genannt werden, und nun wird
die Flamme zum Getreide- oder Aehren-
büschel, und das Rätsel ist gelöst. Wir
haben hier vor uns das Opfer von Kain
und Abel (soll ähnlich an der Kanzel
zu Wechselburg in Sachsen dargestellt
sein), intb dieses Opfer läßt sich leicht
in Beziehung bringen zu den Bildern
weiter unten, wo sich Christus in der
hl. Messe, und sein Diener sich im Mar-
tyrium opfert. — Stellen wir uns vor
den Altar und schauen wir gegen das
Schiff hin, so erblicken wir über dem
Chorbogen im Halbkreis gegen Westen
den Engel, welcher Maria die frohe Bot-
schaft verkündigt. Ans den langen Spruch-
bändern waren oder sind Stellen ans der
hl. Schrift angebracht; wir konnten trotz
der guten Beleuchtung, die nur an un-
seren Besuchstagen hatten, nichts lesen.
Ist vielleicht der Baum oben mit seinen
3 Aesten hinter Maria und dem Engel
als jenes Symbol der hl. Dreifaltigkeit
zu betrachten, von welchem in einem Buche
berichtet wird? Die schmalen Wände unten
am Chorbogen waren früher auch bemalt:
auf der nördlichen Fläche sucht das Auge
vergebens danach, gegen Süden hin er-
blickt man eine etwas kahlköpfige Figur
mit einem Buche in der linken Hand und
hinter ihr eine jüngere, wohl weibliche?
 
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