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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 6
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Reiter, Joseph: Verschiedene Pforten, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0071

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50

Kirchen sieht man bisweilen die Städte
Jerusalem nnd Bethlehem angedeutet, aus
welchen Lämmer kommen, öfters zivölf
an der Zahl, so z. V. in der Apsismosaik
in St. Cosma e Damiano zu Rom.
Rechts vom Beschauer ist Bethlehem und
links Jerusalem, und es soll nach ge-
wöhnlicher Annahme Jerusalem an die
Jndeuchristen und Bethlehem uns an
die aus der Heidenwelt Erwählten
erinnern, Bethlehem und Jerusalem er-
scheinen mithin als Bilder des Heiden-
tums und Judentums. Sofern nun über
diesen Städten oder ihren Toren (Tor
bisiveileu Zur die ganze Stadt) Petrus
und Paulus angebracht sind, wird man
hier auch von einer porta Petri und
einer porta Pauli reden können, wobei
freilich eine eigenartige Schwierigkeit ob-
waltet. Mail möchte nämlich das Stadt-
bild von Bethlehem bei Paulus, und das
von Jerusalem bei Petrus suchen, weil
ja der Herr sich zuerst in Bethlehem den
Heideil offenbarte und das Heidentum
älter ist als das auserwählte Volk Gottes
und seine Hauptstadt, und doch ist wie in
der genannten Kirche, so auch in Maria
Maggiore, St. Lorenzo in Rom und St,
Vitale in Ravenna die Stadt Bethlehem
dem erstell der Apostel eiugeräumt, Jeru-
saleiu aber links beim hl. Paulus charge-
stellt. So wie sich die Sache denl Auge
präsentiert, wird man in Bethlehem von
einer porta Petri und bei Jerusalem von
einer porta Pauli reden können, während
denl Sinne nach die porta ?etri die
Judenchristeu, und die porta ?auli
die Heidenchristen bezeichnen sollte. An-
deutungen dieser Porta sollen sich in
Maulbronn finden, nur das; die Bilder
der hl. Apostel fehlen; wir selbst haben
auch schon au die jetzt protestantische
Kirche von Jung St. .Peter in Straßburg
gedacht, wo auf der Evangelienseite eine
eigenartige Nische ist; oh auch auf der
Epistelseite eine solche wahrgeuommeu wer-
den kann, ist uns nicht mehr erinnerlich. Die
Tore voll Bethlehenl inid Jerusalem waren
regelmäßig von Türmen flankiert, und
diese Türme, .spielten auch später noch
eine Rolle in ben sogenannten Osttürmen.
Der Turin von Bethlehem, welcher auch
turris gregis genannt wird, ist ans der
Epistelseite, der Tortur»! von Jerusalein

auf der Evaugelienseite. Dürfen wir
vielleicht die Osttürme der Marienkirche
zil Reutlingen auch als solche Türme von
Bethlehenl und Jerusalem anseheu? Wir
sind indessen mit unseren Ausführungen
noch nicht fertig.

In Salem ist. im gotischen Türsturz
das Wappen Christi mit Marterwerkzeugen
dargestellt, unter welchem mail die Worte
liest: „Quos recipit sacra porta Petri —
quos janua Pauli — grata tibi fundant
vota precesque Deus, quando quidem
non juvat ista Petri." Was soll diese
porta Petri nnd janua Pauli? Gewiß
soll damit nicht ans ein Petrinisches oder
Pauliuisches Christentum hingewieseu wer-
den, vielmehr muß es sich um eine andere
Bedeutung handeln. Petrus und Paulus
gelten als Eingaugstüreu zum Reiche Gottes
hier und drüben, weshalb sie auch gerne
an Portalen, Tabernakeln und Mon-
stranzen angebracht erscheinen, allein wenn
wir auf Berufung der Apostel achten, so
zeigt sich ein gewisser Unterschied, so daß die-
selbe im einen Fall mehr als gewöhnlich, im
anderen Fall als außergewöhnlich bezeichnet
werden kann. Die porta, Tor, Zugang,
ist der ordentliche Zutritt in die Gemein-
schaft mit Gott in der Kirche, die janua
Pauli die außerordentliche Zulassung in
die Verbindung mit Gott, wie solche
durch eine Vision dem hl. Paulus, auf
dein Wege nach Damaskus gewährt wurde.
Diese Auffassung hat sich Mone angeeignet,
welcher weiter ausführt, daß janua unt-
ern enges Loch zum Hineiukommeu oder
Hineiuschlüpfen bedeute, wie ja faktisch
auch die janua Pauli in Salem ganz klein
sei. Wenn sich diese janua in der Nähe
vom Gottesacker befindet, so wolle damit
noch weiter gesagt sein, daß die Furcht
vor dein Tode manchen noch in die Kirche
hiueintreibe. Dürfte man die Richtigkeit
dieser Auslegung aunehmen, dann würde
es sich wohl der Mühe lohnen, Umfrage
zu halten, ob nicht dieses oder jenes rät-
selhafte Pförtchen am Ende anders zu
erklären sei, als man es bisher erklärt
hat. Freilich kann mau auch hier Fehl-
griffe inachen und manches heuraeca später
als unbegründet dartun müssen, allein
ivas mag's verschlagen, wenn auf diese
Weise der Forschung ein guter Dienst
geleistet wird?
 
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