Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

DOI Heft:
Nr. 8
DOI Artikel:
Detzel, Heinrich: Ein Gang durch restaurierte Kirchen, [28]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0099

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
76

ihnen nach"; neben diesem hält ein anderer
Engel — beide außerordentlich liebliche
Gestalten — den Bischofsstab. Diese und
alle andern beigegebenen Engel aber be-
gleiten den Heiligen gleichsain wie ein
Gefolge zürn Hinunel hinauf. Wir sehen
außerdem rechts den hl. Erzengel Michael
mit dein Flammenschwert stehen und mit
dem Schilde, ans dem die Worte: »Quis
ut Deus« stehen, während neben ihm
kniend ein anderer Himmelsbote die Wage
der Gerechtigkeit hält. Als Gegenstück
dieser Gruppe ist der hl. Erzengel Gabriel
gemalt, der den Lilienstengel hält und mit
der andern Hand auf den Heiland hin-
weist, der dem Heiligen die Krone des
ewigen Lebens entgegenhält. Diese Figur
hat zwar etwas sehr Lebendiges an sich
und ist eine echte Zopsfigur in der Art
eines Tiepolo oder Knoller, paßt aber
vollständig in diese Komposition hinein,
indem sie die Silhouette dieser ganzen
linken Gruppe interessanter, lebendiger
macht, so daß diesem Zuge in der Kompo-
sition von den knienden Engeln bis zu
Christus hinauf geschickt der Zopfcharakter
ausgeprägt ist. Es muß ja selbstverständ-
lich ein großer Unterschied zwischen einem
Staffeleibild und der Komposition in Fresko
in einer Kirche mit bestimmtem Spätstil-
charakter geivahrt werden. Ein Staffelei-
bild will meistens nur für sich allein oder
doch nur im Zusammenhang mit seiner
nächsten Umgebung betrachtet werden; es
ist ein in sich abgeschlossenes Ganzes und
fordert vielfach, daß nian bei seiner Wür-
digung von der Umgebung absehe. Anders
ist dies bei den in eine bestimmte Archi-
tektur eingegliederten Kompositionen; hier
muß auch noch die Gesamtwirknng in Be-
trachtung kommen. Es muß ein solches
Kunstwerk, soll es diesen Namen verdienen,
nicht bloß in sich selbst vollkommen sein,
sondern es muß auch mit der Umgebung,
den Altären n. s. w., und dem ganzen
Baue harmonisch sich verschmelzen. Daß
das bei dieser Müllerschen Koiuposition
der Fall ist, wird der verständige Betrachter
sofort sehen.

Außer diesen drei Hanptdarstellnngen
hat der Künstler noch sechs kleinere
Bilder ans dem Leben des hl. Kirchen-
patrons am Plafond des Schiffes ange-
bracht. Sie sind sämtlich in vorhandene,

aber ganz komplizierte Umrahmungen hin-
einkomponiert, und erforderte schon diese
Art Medaillons ein tüchtiges Kompositions-
taleut, sollte die Sache nicht einförmig
und langweilig werden. Müller hat es
verstanden, diese Klippe zu vermeiden, und
wenn er auch diese kleinen Entwürfe, die
braun in braun gemalt sind, nur gleichsam als
einfache Illustrationen oder Ergänzungen
zu den Hanptbildern angesehen wissen ivill,
so sind sie doch gewandte, äußerst an-
sprechende Erzählungen ans dein Leben
des Heiligen.

Es sind folgende sechs Scenen:

1. St. Martinns als Mönch un-
terrichtet seine Schüler und No-
vizen im geistlichen Leben. Der
Heilige, in der damaligen Mönchstracht,
steht ans einem erhöhten Katheder und er-
klärt die heilige Schrift, während die
Schüler, nin ihn herunistehend und sitzend,
seinen Worten aufmerksam lauschen.

2. D e r H e i l i g e z e r st ö r t einen
Götzentenipel. Er kniet auf einem er-
höhten Felsen, von wo ans er den Götzen-
tempel überschauen kann, und betet mit
ansgebreiteten Armen und zum Himmel
hinanfschancnd. .Durch die Macht seines
Gebetes ivird der Götzentempel durch Blitz
aus strafender Engelshand zerstört und die
Götzenpriester und Heiden, welche sich an
dem Heiligen vergreifen nwllten, in die
Flucht geschlagen. Steinblöcke und Säu-
lentrümmer fallen ans die Fliehenden.

3. St. Martinns erweckt einen
Toten zum Leben. Er vollzieht auch
dieses Wunder durch die Macht seines
Gebetes. Der Tote, in Grabtücher ein-
gehüllt, richtet sich von der Bahre auf,
während Mönche und Schüler des Hei-
ligen teils erschrecken, teils erstaunen über
dieses Wunder; einer der Mönche aber ist
ans die Knie gesunken und betet in ehr-
furchtvollem Erstaunen Gott den Allmäch-
tigen an, der durch seinen Diener dieses
Wunder vollzogen hat.

4. Der hl. Martinas wird znm
B i s ch o f g e w e i h t.. Eine besonders schöne,
ebenmäßige Komposition.

5. Der hl. Martinns heilt ein
krankes Mädchen. Während die be-
sorgte Mutter das Kind hält, legt ihm der
Heilige seine Hände auf und betet über
dasselbe. Der ihn begleitende Mönch
 
Annotationen