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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 11
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Rohr, Ignaz: Die "große Berliner Kunstausstellung" und die christliche Kirche, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0131

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107 —

latrix« voranstellen, weil sie beide den
Trost der Religion bei schweren Schick-
salsschlägen zum Gegenstand haben. Dort
wird ein Kind zu Grabe getragen und
zwischen dem Leichenträger und den Eltern
schreitet Christus, das Schwesterchen des
toten Kindes an der Hand führend; hier
kauert eine von Kummer niedergebengte
Frauengestalt an ihrem Lager und Maria
erscheint ihr, mit der Dornenkrone in den
Händen. Die Ausführung ist sehr ver-
schieden: v. Brandis nimmt die schlichte
Wirklichkeit, wie sie ist. Auch die Gestalt
Christi ist nicht hoch hinansgehoben über
die Alltäglichkeit. Wäre sein Mantel etwas
kürzer, schwarz statt blau, und im Schnitt
dem Predigertalar noch ein bißchen mehr
angepaßt, so wäre es der protestantische
Geistliche, der das Begräbnis vornimmt
— und doch wirkt das Bild gerade durch
seine Einfachheit. Idealer gehalten ist das
zweite, und Schram hat sich die Aufgabe
erschwert durch die Beleuchtung: eine Licht-
quelle ist der Glorienschein ums Haupt
der Mnttergottes, die andere eine seitlich
zu denkende, aber nicht sichtbare Lampe;
aber die Schwierigkeiten sind mit Geschick
überwunden und die künstlerische wie
die psychologische Wirkung ist eine vor-
zügliche.

Anmutige Bilder sind Nr. 35, Madonna
von P. Barthel, und Nr. 1130 von E.
Beith, „Rast" (die heilige Familie hat sich
iit einer anmutigen Frühlingslandschaft auf
einer Bank niedergelassen; auf der einen
Seite musizieren vier Engel, ans der andern
Seite stehen zwei staunende und anbetende
Franengestalten iit modernem Gewände).
Bei Barthel ruht Maria traumversnnken
in einer leichten Wolkenhülle, aus der
hübsche Engelsköpfchen hervorragen. Das
Kind ist ans dem Schoß der Gottesmutter
eingeschlafen. Ein Kirchenbild ist weder
das eine noch das andere; sie könnten nur
als Zimmerschmuck in Betracht konunen.
Außerdem wurde — ivenigstens beim Refe-
renten — der Eindruck von Nr. 35 be-
einträchtigt durch das Empfinden, als sollte
Mnrillo nachgeahmt werden, und da wäre
der Unterschied zwischen Ideal und Wirk-
lichkeit zu groß; und bei Nr. 1130 weckt
die Verwandtschaft des Hintergrundes mit
dem ans Nr. 1131 vom selben Meister
die störende Vorstellung, als wären Früh-

lingslandschaften sein ganzes und einziges
Nepertoir. Er wäre allerdings nicht der
einzige Spezialist unter den Künstlern.
Einen wichtigen Passus aus dem öffent-
lichen Wirken Jesu behandelt W. Stein-
hansen in der „Bergpredigt", Zyklus von
fünf Aquarellen nach den in der Aula
des Kaiser Friedrich-Gymnasiums ausge-
führten Wandbildern (Nr. 1083). Man
kann ja freilich das ganze Werk nicht nach
der Reproduktion beurteilen. Ein Bild
kann alle Wirkung verlieren, wenn es in
ungünstiger Umgebung ist; aber so wie die
Aquarelle für sich sind, müssen sie unfern
Beifall finden, und ebensosehr verdient
denselben die Idee, der Heranwachsenden
Jugend einer höheren Lehranstalt Christus
als Lehrer und seine bedeutsamste Predigt
als höchste Weisheit Tag für Tag int
Bilde vor Allgen zu führen. Das wirkt
anders, als Prometheus, der Lichtbringer,
oder eine gewagte Allegorie. Ebenso bei-
fällig können Idee und Ausführung der
„elf Nahmen mit Illustrationen zu dem
Prachtwerke: Das Leben Jesu" von PH.
Schumacher (Nr. 1962) begrüßt werden.
Lebensfähigkeit der Gestalten, Nilhe uub
Klarheit der Komposition, Anmut des
Kolorits wirken hier innig zusammen.
„Der gute Hirt" (Nr. 873) von C. Priem
ist in der Komposition eine tüchtige Arbeit.
Nur eignet er sich wegen der modernen
Behandlung der Landschaft nicht gut für
eine Kirche, mag aber allerdings auch nicht
für eine solche berechnet sein. Annähernd
dasselbe gilt von Nr. 1196: „Er ist auf-
erstanden" von Alexander Zick. Der Künstler
hat die Schwierigkeit der Gegenüberstel-
lung von Hell uub Dunkel, Ruhe in den
Figuren der Engel und Veivegnng in denen
der frommen Frauen mit Glück überwun-
den ; nur die Stellung der Magdalena
will uns etwas theatralisch vorkonnnen.
Sehr realistisch ist der Schauer des Todes
in Nr. 380: „Es ist vollbracht" von
C. Gussow dargestellt, und was Msgr.
Kümmel in diesem Organ seinerzeit
ansgeführt hat, gilt auch hier. Aber als
künstlerische Leistung an sich behält das
Bild seinen Wert.

Sehr beachtenswert ist Nr. 1252:
„Die Kreuzabnahme nach dem Gemälde
von Professor Papperitz, Stich in Holz",
und Nr. 1265: „Kreuzabnahme, Schab-
 
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