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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 23.1905

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Nr. 12
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Detzel, Heinrich: Die neuen Glasgemälde in der Pfarrkirche zu Schussenried
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https://doi.org/10.11588/diglit.15938#0131

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118

Die neuen Glasgemälde in der
Pfarrkirche zu ^chnffenried.

Der Chor der Pfarrkirche in S ch u f f e »-
ried hat diesen Herbst einen hervorragen-
den Schmuck durch Einsetzen von sechs
n e n cu Glasge in ü l d e n erhalten. Der
gute Nus der Tiroler G l a s m a l e r e i-
anstalt, Inhaber Nenhanser, Or. Jele
n. Co. in Innsbruck, die schon so viele
herrliche Werke dieses Kunstzweiges in
unsere Diözese geliefert hat, ließ 511111 vor-
aus etwas Gediegenes erwarten, zumal
diese Anstalt gerade in Herstellung von
gemalten Barockfenstern (vergl. Dischingen,
„Archiv" 1903 Nr. 12) ihre künstlerische
Leistungsfähigkeit schon tu so hohem Grade
erwiesen hat. Diese neuen Schussenrieder
Fenster können aber zu dem Porzilglichsten
gerechnet werden, was diese Kunstanstalt
bisher geleistet hat.

Weil das Hochaltarbild die „Krönung
Mariä" darstellt, so lag es nahe, für die
beiden dasselbe flankierenden Chorfenster
zwei Höhepunkte ans dem irdischen
Leben der seligsten Jungfrau zu wähle»,
und so ist denn im Chorfenster auf der
Evangelienseite „Mariä Berkündi-
gnng", in demselben auf der Epistelseite
die „Erscheinung des anferstan-
den en Heilandes" vor seiner gebene-
deiten Mutter abgebildet. Das Spruch-
band am untern Rande enthält die latei-
nischen Worte: »AveMaria gratia plena«;
das Spruchband des zweiten ist ansgefüllt
mit dem Psalmwort: »Ego dormivi et
soporatus sum, et exurrexi« (Ich schlief
und sank in tiefen Schlaf und stand wieder
ans. Ps. 3, 6). Gestalt und Antlitz des
Engels und der seligsten Jungfrau im
Bilde Mariä Verkündigung sind voll Schön-
heit und Anmut. In dem andern Ge-
mälde steht der auferstandene Heiland in
seiner Glorie vor der knienden Mutter,
die in wonnevollem Staunen die eine
Hand auf die Brust drückt, die andere
Hand verlangend nach dem schmerzlich
betrauerten und vermißten göttlichen Sohne
ausstreckt. Vollendet ist bei diesen beiden
scenischen Vorstellungen besonders die
technisch glasmalerische Ansführnng: wir
finden nur weiße und farbige Hüttengläser
verwendet, letztere zeigen besonders große
Feinheit in den zart gebrochenen Zwischen-

tönen und gleichmäßige Verteilung der
Hauplfarben unter vorsichtiger Abwägung
ihrer Wertigkeit und Leuchtkraft. Farben-
wahl und Farbenzusanimenstellnng sind
von brillanter Gesamtwirkung. Das- bläu-
lich angehauchte „Weiß" in dem Ober-
gewand der heiligen Jungfrau ermöglichte
dem Glasmaler hier eine entzückend schöne
Farbenstimmnng.

Von den vier Fenstern an den Seiten-
wänden des- Chores hat das erste auf der
Evaugclienseite die Brustbilder der Apostel-
fürsten Petrus mit dem Schlüssel und
Paulus mit dem Schwert, von denen
namentlich der kraftvolle Kopf des Völker-
apostels mit dem sinnenden Auge den
Blick ans sich zieht. Ein Pnltenengel
trägt die Sinnbilder der beiden Apostel:
die päpstliche Tiara weist hin auf Petrus
als das erste Oberhaupt der Kirche, das
Blninengefäß ans Paulus, der in der
Apostelgeschichte (9, 15) ein Gefäß der
Auserwählung genannt wird. Beide Apostel
tragen weiß abgetönte Untergewänder,
Petrus violettes, Paulus rotes Ober-
gewand. Diesem Fenster gegenüber be-
finden sich die beiden Apostel des Slll-
gänes und Oberschwabens, St. Gallus
und St. Magnus, zwei prächtige Pa-
triarchengestalten im Mönchsgewande mit
wallenden Bärten: St. Gallus die Hand
auf dem mächtigen Kopf eines Bären,
der im Schmerz ans die vom Dorn ver-
wundete Tatze beißt, das Tier, mit dein
der Heilige gewöhnlich dargestellt wird
und dem er nach der Legende den Dorn
aus dem Fuße gezogen hat. St. Magnus
trägt in der rechten Hand das Brustkrenz,
welches er gegen den ihn bedrohenden
Drachen erhebt. Der Engel unter den
beiden Gestalten trügt als Sinnbild der
Dienste des gezähmten Bären, wofür
St. Gallus sein Brot mit ihm teilte, ein
Brot, in der andern Hand den Abtstab,
der ans den hl. Magnus hinweist. Glas-
malerisch geschickt sind die Gewänder der
beiden Benediktinermönche behandelt. Ein
völlig schwarzgemalter Habit in einem
Glasgemälde wirkt störend für eine schöne
Farbenstimmung und bringt gleichsam
einen Riß in die Farbenharmonie. Der
Glasmaler hat diesen Zwiespalt dadurch
vermieden, daß er als Ersatz für Schwarz
in den Gewändern der beiden Patriarchen
 
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