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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0016

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11

Genuß künstlerischer Produkte, zu», verständnis-
vollen Eingehen auf künstlerische Ideen absolut
notwendig ist, so ist es ein freudiges, sonniges
Gemüt. In der Tal schöpft der Verfasser sein
Tiefstes und Bestes in diesen! Buche aus den
Tiefen seiner reichen kunstgeschichtlichen Kennt-
nisse, seines religiösen und künstlerischen Gemütes,
seiner schwungvollen Phantasie und seines warmen
Herzens. Und wie eine Zergliederung und ver-
standesmäßige Analysierung des Gemütes und
seiner Aeußerungen wie eine Profanierung von
etwas Heiligem und Erhabenem wirkt, so müßte
ich fürchten, durch ein trockenes Referat über den
Inhalt der einzelnen Aufsätze ihnen unrecht zu
tun, das Duftige ihrer poetisch-künstlerischen Un-
mittelbarkeit verflüchtigen zu lassen und in seinen
Wirkungen zu schwäche». Der Zweck dieser Zeilen
kann nur sein, zur Lektüre und zum betrachten-
den Genuß des Buches aufzufordern. Es ent-
hält wohl die besten Abhandlungen, die der hoch-
würdigste Verfasser auf dem Gebiete der Kunst-
geschichte und Aesthetik früher schon einzeln da
und dort veröffentlicht hat: St. Thomas von

Aquin in der mittelalterlichen Malerei, Der Frei-
burger Münsterturm, P. P. Rubens als reli-
giöser Maler, Raffaels Madonnen, Wanderung
durch Württembergs letzte Klosterbauten, Raffaels
Spvsoligio, Von der Freude. Der letzte Essay
ist ganz neu.

Ich würde es als eine Art von Anmaßung
empfinde», wollte ich in die Rolle des lobspen-
denden oder korrigierenden Kritikers verfallen.
Aber ich darf herausheben, worin nebeir dem
unmittelbaren augenblicklichen Genuß der Lektüre
für uns jüngere der bleibende Lehrwert des
Buches liegt. Meines Erachtens darin, daß hier
gezeigt ist, wie man das künstlerische Einzelobjekt
in Beziehung setzen soll zu den tieferen Prinzipien
der religiösen Kunst und Kunstästhetik, wie die
zeitlichen Erscheinungs- und Darbietnngsformen
zu messen sind an den ewig gültigen großen
Kunst- und Schönheitsgesetzen. Gerade das ist
ein nicht geringes Verdienst des Buches, daß es
gegenüber der heutigen sensualistischen und posi-
tivistischen Aesthetik festhält an ewigen, unver-
brüchlichen Gesetzen des Schönen und die schwäch-
liche Argumentation ablehnt, mit der man diesen
Skeptizismus auf dem Kunstgebiet zu rechtfertigen
sucht: Weil so viele sie nicht erkennen, gibt es
keine! Auch darin dürfen wir, die Lernenden,
einen für die religiöse Kuustübuug durchaus rich-
tigen und wertvollen Grundsatz erblicken: Erst
Schulung an den Werken der Alte», die uner-
reichte Muster religiöser Malerei bieten, daun
erst aus ihrem Geiste heraus mit de» verfeinerten
Mitteln 'moderner Technik den religiösen Idee»,
den heilsgeschichtlichen Begebenheiten, den legen-
darisch-poetischen Stoffen neue künstlerische Aus-
drucksmöglichkeiten schassen! Besonderen Dank
schuldet unsere schwäbische Heimat dem Verfasser
dafür, daß er sich entschloß, die herrliche „W a n-
d e r u n g du r ch W ü r 11 c m b e r g s letzte
Klosterbauten" in die Sanimlnug aufzu-
nehmeu, die in den „Historisch-politischen Blät-
tern" 102 (1888) 260 ff. erstmals erschienen
war. Sie ist ein kunsthistorisches Ehrendenkmal
für unsere schwäbischen Klöster, die auch in den
schwersten Zeiten die künstlerische Ehre des Hauses

, Gottes obenan stellten; sie machte erstmals wieder
auf die eigenartige vergessene Schönheit der
schwäbischen Klosterbauten aufmerksam; sie ist,
ohne daß der hochwürdigste Verfasser darüber
auch nur ein Wort verliert, ein Denkmal der
Schande für die damalige Bureaukratie gewor-
den, die in schninchvoller Weise erstklassige Kunst-
werke verschacherte und vernichtete. Möchte sie
doch auch ein Appell werden au die maßgeben-
den Faktoren, denen heute die Baupflicht an
diesen herrlichen Gebäuden und die Sorge für
sie obliegt. Denn wenn nicht mehr als bisher
für dieselben geschieht, so werden sie vollends
herunterkommen. Man sollte auch hier nicht bloß
daran denken, gerade so viel auszuwerfen, daß
die praktische Ausnützung dieser Kirchen ermög-
licht ist, sondern so viel, um sie ständig und
anständig rein halten und ihren künstlerischen
Charakter wahren zu können. Möge diese Ehren-
pflicht von der heutigen Generation nicht ver-
kannt und ihre Erfüllung nicht engherzig erschwert
werden!

Dem schönen Buche aber, das eine wahre
Saat reiner Freuden ist, möchten wir als Ge-
leitwunsch seine eigenen Schlußworte mitgeben:
„Möchte doch dieser Freudesanien vom Segen
von Oben beschwingt, durch günstige Winde durch
alle Länder getragen werden und überall guten
Boden finden und Frucht bringen: dreißigfnche,
sechzigfnche, hundertfache!"

T ü b i n g e n.

Professor Or. Ludwig Baue.

Klassiker der K u n st i n G e s a »i l a n s-
gabe». IX. Bd. Al. v. Schwind;
des Aleislers Werke in 1265 Abbildungen,
hei ausgegeben von Otto Weigniauii.
590 S. Stuttgart, 1906 (Deutsche Ber-
lagsnnstalt). Preis 15 M.

Wenn irgend ein Band der „Klassiker", wird
sich der vorliegende sicher einen großen Freundes-
kreis erwerben. Steckt doch in jedem Deutschen
ein Stück Romantik, und iver hat die Welt der
Romantik zarter und liebenswürdiger geschildert
als unser Moritz v. Schwind! Und dabei nichts
von kraftloser Sentimentalität, alles so kernig
und gesund, wie der Meister selber mit seinem
prächtigen, treuherzigen Wesen. Schwind wird
nie veralten, solange es noch Herzen gibt, die
nicht ganz im Alltagsleben verstauben, die sich
noch öffnen dem Lachen des Frühlingssonnen-
scheius und dem geheimnisvollen Zauber des
1 grünen deutschen Waldes. Kommt man gar voin
I Genüsse moderner Kunst mit ihrer Ueberfeine-
rung, wo selbst die gelegentlich zur Schau ge-
tragene Schlichtheit und Naivität nur der höchste
Grad raffinierter Berechnung ist, so wirkt ein
Schwindsches Bild (z. B. „Die Waldkapelle",

I „Die Morgenstunde", „Die Symphonie") wie
ein erquickender frischer Trunk aus dem Wald-
quell nach langer Wanderung auf staubiger,
glühender Landstraße. Nun sind uns im vor-
liegenden Bande zum erstenmal des Meisters ge-
sammelte Werke geschenkt, nngefangen von den
Bilderbogenzeichuungeu, .womit Schwind seine
künstlerische Laufbahn eröffnete, bis zu den
i Meisterwerken in der Schackgalerie und den un-
 
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