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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 25.1907

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Nr. 8
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Baur, Ludwig: Glasfenster für ärmere Kirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15940#0088

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81

zu einer außerordentlich fruchtbaren Er-
findung für die Glasmalerei: nämlich der
G r i s a i l l e n f e n st e r.

Nach französischen Vorgängen fanden
sie auch alsbald in Deutschland Eingang:
Heiligenkrenz, Altenberg, Pforta, Marien-
stadt, Marburg u. a. sind prächtige Bei-
spiele für die Ausübung und Verwertung
dieses Kunstzweiges auf deutschem Boden.
Die G r i s a i l l e n m a l e r e i besteht darin,
daß auf dem farblosen oder auch grün-
lich bezw. gelblich abgetönten Glase in
Schwarzlot Zeichnungen von Blatt-
mustern wie Palmetten, Efeulaub, Wein-
laub, Eichenlaub u. ä., sei es an Stengeln
oder an Ranken geordnet oder auch von
Bändern bezw. anderen rein geome-
trischen Figuren, wie z. B. Kreisen,
Pässen (Drei- und Vierpässen), Kreuz-,

Bandmuster für Rundfenster.

Sternformen aufgetragen und eingebrannt
werden. Es ist klar, daß der ästhetische
Grundgedanke dabei ist: fein stilisierte
Teppichmuster zu gewinnen.

Während nun die älteren Grisaillen
noch keine Farbenmischung aufmeisen und
dennoch, wie z. B. die ans dem 13. Jahr-
hundert stammenden Glasfenster der
Kathedralen von Tropes und von
So iss o ns, eine außerordentlich feine
und zarte dekorative Wirkung ausübten
(so fein, daß sie den Eindruck hervorzn-
rnfen scheinen, als wäre das ganze Glas-
fenster aus lauter Seide), verwandten die
späteren auch für die Grissaillen farbige
Glasstücke und brachten damit größere
Abwechslung und wohltuende Farben-
harmonien hervor. Auf diese Weise hob
mau zunächst besonders bedeutsam er-
scheinende Teile der Zeichnung, wie z. B.

Bänder, Bordüren, Rosetten, Flechtmerk,
heraus und verlieh dadurch den Fenstern
eine Farbenharmonie, die nur auf Grund
einer langen und gründlichen Beobachtung
der Wirkungen des Lichts auf durchscheinende
Oberflächen beruhen konnte. Der Kirchen-
raum wie das Fenster selbst erhielt dadurch
jenen unbeschreiblichen Reiz und jene außer-
ordentliche Zartheit, die wir an so vielen
französischen Kathedralen noch heute be-
wundern können.

Es ist nun ohne weiteres einleuchtend, daß
bei einem solchermaßen ausgeführten Gla§-
fenster auch die Verb lein ngs-Kon-
tnren eine ganz andere Funktion und
Bedeutung erhalten, als bei den eigent-
lichen farbigen Glasmalereien mit ftp»
raten Darstellungen. Bei letzteren haben

Band(Flecht)muster.

sie hauptsächlich den Zweck, die Farben
nicht unmittelbar aufeinanderstoßen zu
lassen, sondern sie soweit von einander zu
trennen, daß sie nicht ineinander über-
fließeu oder sich vermischen. Aus diesent
Grund verschwinden sie auch bei einem
guten Glasbild völlig oder, wie H. Oidt-
mann in seinem sehr empfehlenswerten
und lehrreichen Buche über Geschichte und
Technik der Glasmalerei (I, 33 f., erste
Ausgabe) ansführt: „Wir sehen im Glas-
gemälde das Fensterblei nur als technische
Naht der Glaslappen dienen und seine
Konturen mit Absicht in die Schatten-
partien gelegt, damit sie von diesen dunk-
leren Glasstellen optisch verschluckt und
für das Auge des Beschauers optisch ge-
löscht werden." Anders ist das in der
Grisaille. Hier erhält die Bleikontur eine
 
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