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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 5
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Wunder, ...: Geschichte der kirchlichen Kunst im oberen Filstal, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0063

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aushall eil müssen. Wirkt auch daS Schiff
wegeu der große» glatten Flächen in den
Gewölbe- und Slichkappen etwas ein-
tönig und nüchtern, so ist doch der Ge-
samteindruck, den die Kirche macht, ein
imposanter und würdiger, der noch gehoben
wird durch die reich marmorierten und
vergoldeten Altäre, von denen besonders
der Hochaltar einen ziemlich exzessiven
Barockstil znr Schau trägt. Ein Meister-
werk ist die Kanzel, ganz aus Stuck, im
Stil der übrigen Stuckdekoration. Be-
achtenswert ist auch das eichene Gestühl im
Schiff mit reich verzierten Wangenstücken,
auf denen oben Palmetten angebracht sind.

Der mächtige quadratische Turm, in
der Südostecke zwischen Chor und Schiff,
mit seinen plumpen, stark abgetreppten
Strebepfeileni an den Ecken, stammt noch
ans srühgolischer Zeit, und sein kreuz-
gewölbtes Untergeschoß war zweifellos der
Chor der alten Kirche, ivie jetzt noch die
Spuren des alten Triumphbogens an der
Westwand zeigen. Später als Sakristei
verivendet, soll er nunmehr, nach dem
Anbau einer neuen Sakristei an der
Nordseile des Chors, in eine Kapeüe 11111-
gewandelt werden.

Die Kirche wurde i. I. 1904 im
ganzen glücklich und geschmackvoll restau-
riert, doch dürfce bei der Bemalung der
reichen Chorstuccaturen des Guten etwas
zu viel geschehen sein.

t>) Wallfahrtskirche Ave Mari a.

Nur 20 Minuten von Deggingen ent-
fernt steht ein zweites hervorragendes
Monument aus der Barockzeit, es ist die
Wallfahrtskirche zum Ave Maria, erbaut
von 1710 —18. Sie wird in manchen
Büchern „Kapelle" genannt, in Wirklich-
keit ist sie eine imposante, geräumige
Kirche, die mancher Pfarrer im „Täle"
mit Freude» als Pfarrkirche annehmen
würde. Die Wirkung des sonst impo-
santen Außenbaus wird nur dadurch be-
einträchtigt, daß die Kirche statt eines
Turmes nur einen Dachreiter ans dem
Westgiebel trägt. Ursprünglich waren so-
gar zwei Türme an der Fassade geplant,
aus Mangel an Geldmitteln mußte man
aber diesen Plan leider wieder falle» lassen.

Das Aeußere zeigt ganz die Formen
der Degginger Pfarrkirche, nur daß sich

hier vorn am Schiff, an der Nord- und
Südseite je eine Kapelle ansbaut, die
in flachem Segmentbügen schließen und
mit geschweiftem Giebel bekrönt sind. So
entsteht eine Art Querschiff, wodurch nicht
nur das Aeußere eine reichere Silhouette
bekam, sondern auch der Jnnenranm
lebendiger und abwechslungsreicher gestaltet
wurde.

Schon von außen ein anmutiges Bild,
zeigt die Kirche ihre volle Schönheit erst
im Innern. Beim Betreten der Kirche
ist man entzückt über die respektablen
Höhenverhältnisse, den reich gegliederten
und doch einheitlich geschlossenen, harmo-
nischen Raum, der nicht zerrissen und zer-
stückelt ist durch mitten drin stehende
Pfeiler, wie eS so oft bei romanischen
und gotischen Kirchen der Fall ist. Schade,
daß dieser schöne Jnnenranm zum Teil
um seine gute Wirkung gebracht wurde
durch die zwar an und für sich ganz
schönen, aber für eine Barockkirche viel
zu dunklen Figurenfenster im Qnerschiff.
Reichliches Licht, das ist die Seele einer
Barockkirche; nimmt man ihr dieses Licht,
so schlägt man sie gleichsam tot. lieber
dem weitausladenden, verkröpsten Gesimse
steigt das flache Gewölbe ans; es ist
mit außerordentlich feinen und zarten
Stuccaturen ganz bedeckt, die dem spätesten
italienischen Barock angehören. Während
! sonst in diesen Kirchen soivohl die Stncca-
1 tiireit als auch der glatte Untergrund
meist weiß gehalten wurden oder nur der
Untergrund etwas getönt, die Slnckzier aber
weiß belassen wurde, ging man hier den
umgekehrten Weg: der Untergrund ist

weiß, während die Stuccaturen in einem
leichten Lila, Rosa oder Creme getönt
wurden, wodurch eine überaus schöne
Wirkung erzielt wurde. Eine Polpchro-
nlierung war hier allerdings notwendig,
andernfalls hätten sich die nur sehr dünn
ausgetragenen Stnckverziernngen kaum von
der iveißen Decke abgehoben. Ein weiterer
schöner Schmuck der Decke sind die FreSko-
geinälde von Joseph Wannenmacher von
Tomerdingen vom Jahre 1754. Sie
! zeigen ein etwas frostiges Kolont, aber
tüchtige Zeichnung. Im übrigen möchte
ich der Kürze halber auf das „Wall-
sahrtsbüchlein für Ave Mmia" von Herrn
Neher, Wallfahrtspriester, Deggingen,
 
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