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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 26.1908

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Nr. 10
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https://doi.org/10.11588/diglit.15941#0121

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108

seinen in die Wüste gestoßenen „Sündenbock" zu i
malen, schlägt er gar seine Staffelei an den
Ufern des Toten Meeres auf und arbeitet während
langer Monate in der dortigen verpesteten Atmo-
sphäre, in der einen Hand den Pinsel, in der
andern aber das Geivehr haltend zum Schutze
gegen die Tiere und Räuber der Wildnis. Wer
denkt da nicht an die Juden zur Zeit des Es-
dras und Nehemias, die mit der einen Hand am
Teinpelbau arbeiteten, mit der andern aber den
Feind abwehrten! Hunts „Sündenbock", der
abgemagert und dein Verschmachten nahe einsam
in der salzigen Wüste am Nande des Toten Meeres
steht, ist übrigens ein ergreifendes Bild des
elenden Zustandes, in welchen die Menschheit
durch die Sünde geraten.

Schon diese Aufzählung der Hauptwerke Hunts
zeigt, ivie der Künstler gniiz neue Wege in der
religiösen Malerei einschlägt und diese inhaltlich
zu erweitern sucht. Ja es scheint geradezu, als
wolle er mit feinen Bildern gleich den Ver-
fassern der alten Apokryphen gewisse Lücken in
der biblischen Jugendgeschichte des Herrn aus-
füllen. Ebenso originell ist Hunt aber auch in
der Art der Ausführung. Mit einer manchmal
ans Lächerliche grenzenden Exaktheit, die sich auf
alles Beiwerk erstreckt und ebenso die geographi-
schen und topographischen wie die ethnographi-
schen und archäologischen Züge seiner Bilder
umfaßt, rekonstruiert er förmlich die biblischen
Vorgänge. Und doch ist sein Realismus himmel-
weit verschieden von dem in religiösen Darstel-
lungen manchmal so widerlichen Naturalismus
gewisser moderner Maler. Das zeigt am beste»
eine Vergleichung seiner „Auffindung Christi in:
Tempel" mit dem entsprechenden Bilde Menzels,
das bei dieser Gegenüberstellung geradezu wie
eine Karikatur wirkt. Was Hunts Gemälde iiber
solche und ähnliche Werke hinaufhebt, ist der
tiefe sittliche Ernst, der aus der Behandlung des
Ganzen spricht, vor allem aber aus den edlen,
vergeistigten Gesichtern. Das ergreifende, idea-
lisierte Haupt Christi im „Licht der Welt" ist
für sich allein schon eine ganze Predigt. Vor
einem solchen Jdealisinus, wie er nur der Tiefe
eines religiösen Herzens entspringen kann, ver-
liert deshalb auch der Naturalismus in der Be-
handlung der Details alles Aufdringliche und
Profanierende. Ja gerade diese Vereinigung
scheinbar unversöhnlicher Gegensätze, von Realis-

mus und Idealismus, von dokumentarischer
Korrektheit und doch wieder reichster Phantasie
gibt seinen Bildern einen ganz eigentümlichen
Reiz. Hunt hat dniiiit gezeigt, wie man auch
schon so vielfach behandelten Stoffen, wie es die
biblischen sind, immer noch neue Seiten nbge-
winnen kann. Schon aus diesem Grunde ist eine
nähere Bekanntschaft mit diesem Meister für jeden,
der sich für religiöse Malerei interessiert, nament-
lich aber für ausübende Künstler, äußerst lehr-
reich.

Doch nicht bloß den großen Künstler Hunt,
vielleicht den bedeutendsten religiösen Maler in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, lernen
wir in vorliegender Monographie kennen, sondern
auch einen edlen, charaktervollen Menschen voll
kindlichen Glaubens und unerschütterlichen Gott-
vertrauens, einen Mann, der für seine Ideale,
aber auch für seine Freunde stets selbstlos alles
zu opfern bereit war, zugleich ein Muster
eines treubesorgten, liebevollen Familienvaters.
Niemand ivird deshalb das Buch aus der Hand
legen, ohne von Verehrung und Liebe zu dem
greisen Meister erfüllt zu werde», der, von seinen
Landsleuten mit Ehren überhäuft, am 2. April
dieses Jahres sein 8>. Geburtsfest in vollster
Rüstigkeit feiern konnte. Durch Darlegung der
vielfachen Beziehungen, welche Hunt beinahe zu
allen gleichzeitigen Künstlern, Dichtern und lite-
rarischen Größen seiner Nation unterhielt, er-
weitert sich die Monographie zu einem interessan-
ten Stück englischer Kunst- und Kulturgeschichte,
Einen besonderen Reiz verleiht dem Buch auch
die Ausnahme zahlreicher Zitate aus den Briefen
und namentlich auch aus den literarischen Werken
des Künstlers; wir lernen so seine Intentionen
in unmittelbarster Form kennen. Geschniückt ist
die Monographie mit nicht weniger als 140 Illu-
strationen größtenteils nach Gemälden und Zeich-
nungen Hunts selbst, teilweise aber auch nach
solchen seiner Freunde. — Niemand dürfte wohl
das Büchlein ohne großen Genuß aus der Hand
legen. Mögen ihm viele Leser, dem liebens-
würdigen Küustlergreis aber noch manche Jahre
beschieden sein!

Rotten bürg. Or. E. Fuchs.

Hiezu eine K u n st Beilage:

Sie Fischpredigt des h l. Antonius
von M. Feuerstein.

Mm)o»ccn.

Hrrders'che Verlagshandlung ;u Freiburg i. Wr.

Soeben ist erschienen und kann durch alle Buchhanoiungen bezogen werden:

Krau», I., 8. J., Die Kirchenbauten der deutschen Jesuiten.

Ein Beitrag zur Kultur- und Kunstgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts. Erster Teil:
Die Kirchen der ungeteilten rheinischen und der niederrheinischen Ordensprovinz. Mit 13 Tafeln
und 22 Abbildungen im Text. (Auch 99. und 100. Ergänzungsheft zu den „Stimmen aus
Maria Laach".) gr. 8" (XVI u. 276). M. 4.80.

Der Verf. bietet anschließend an sein Werk „Die belgischen Jesuitenkirchen" ein ganz neues
Bild von dem Style Loyola und seinem Verhältnis zur Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Stuttgart, Buchdrucker«! der Alt.-Ges. „Deutsches Bolköblato
 
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