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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 27.1909

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Nr. 9
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Clavell, A.: Ueber blutende Madonnenbilder, [1]: Nachträge zu Gageurs "Maria vom Blute"
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https://doi.org/10.11588/diglit.15942#0096

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Kopie, ein Tafelbild auf Holz gemalt,
während das im Ehinger Privatbesitz be-
befindliche auf Leinwand gemalt ist. Wie
die Madonna von Ne nach Ummendorf
kam, ließ sich nicht eruieren. Es ist wohl
ein Erbstück ans dem reichen Nachlaß des
seligen Prälaten Dr. Engelbert Hofele,
der neben manchem Kunstwerk viel Curiosa
gesammelt hat; in feiner Beschreibung
deS Ummendorfer Monnmentalkrenzbergs
und PfarrschlosseS, der Pfarrkirche und
Umgebung ist es indes nicht erwähnt. Das
Gemälde der Holztafel ist 60 cm lang,
37 cm breit; dazu kommt auf allen vier
Seilen eine Nandeinfassnng von je 5 cm
Breite mit einfachen Ornamenten. Hofeles
Nachfolger, Pfarrer August Wiest, der
jetzt die Sonimerresidenz der Ochsenhanser
Prälaten innehat, deren Leibeigene auf
Hof Eichen seine Vorfahren bis zur Auf-
hebung des Klosters waren, hat das Bild
durch Maler Walz renovieren und mit
einem Blechkranz einfassen lassen. In
der Altersbestimmung schwankte das Urteil
mehrerer zu Rate gezogener Sachverstän-
diger zwischen beut 17. und 18. Jahr-
hundert. Heute schmückt das getreue Ab-
bild der Madonna vom Blute in Ne das
Gartenportal in denr imposanten Vestibül
des „Pfarrfchlosses" mit seinen massigen,
weilgesprenglen, gotischen Gewölbebogen
und grüßt, in neuem Glanze prangend, jeden
in die Hallen Eintretenden. Größere Maße
weist das Madonnenbild in Ehingen aus,
das Herr Ott als vielverehrtes Wunderbild
aus Vorfahrenhänden übernommen hat und
pietätvoll anfbewahrt. Beide stimmen in
der Ausführung vollständig mit denr Rohr-
haldener Bild der blutenden Madonna über-
ein, nur daß die blutende Madonna in
Ummendors besser erhalten ist als die in
Ehingen befindliche. Desgleichen tragen sie
auch die Initialen auf dem Mantel der Ma-
donna: links V^irgo sVsirginuM, Maria,
A[v]eA[v]ePa[radieus]; rechts V[olup-
tatis]. A[v]e, H[onor] V[irginitatis].
Jjesu] M[ater] V[irgo] A[v]e 1), sonne

') Das ist nämlich die Deutung, die der un-
bekannte Verfasser deS „Marianische» Gnaden-
brnnnenquell in der König!. Stadt Klattau in
Bonheiinb . . . Bericht vom blutschwitzenden
Wunderbild" Prag um oder nach 1712, den An-
fangsbuchstaben gibt (Das Wunder am Klattauer
Bild soll sich 1885 wiederholt haben.)

die Unterschrift: Ritrato De La Ima-
gine Miracolosa Madonna de Re in
Valle di Vigezzo.

Was uns hier noch mehr als die Verbrei-
tung der blntschwitzenden Wunderbilder
von Re llnd ihres eigenartigen Kultes
auch in unserer Diözese interessiert, ist der
Gegenstand der Bildlegende selbst und
deren Stellung in den ikon ographischen
L e g e n d e n d i ch t u n gen des Mittelalters.
In gewissen wundersüchtigen Zeiten waren
Wunder an verehrnngswürdigen Heiligen-
bildern fast noch wehr geschätzt als Wun-
der, durch sie gewirkt an Zuflncht-
suchenden, und hatten sich in der Un-
masse mittelalterlicher Sagen zu einem
besonderen Zweige, der Bildlegende, aus-
gewachsen. Hierin treffen, wie in manch
anderen Seilen religiöser Betätigung,
antikes Heidentnnl und Christentnin aus-
fällig nahe zusainmen. Für das klassische
Altertum haben Philologen, Kunst- und
Religionshistoriker den oft verworrenen
Zusammenhang zwischen Kunst und Legende
allmählich festgestellt. Weniger ist das
gewaltige Material in den literarischen
und künstlerischen Ueberlieferungen deS
Christentums erschöpfend bis jetzt behandelt
worden. Erst Ernst von Dob schütz, ChristnS-
bilder. Untersuchungen zur christlichen
Legende in Gebhardts und Harnacks Texte
und Untersuchungen zur Geschichte der
altchristlichen Literatur, diene Folge,
UI. Band 1899, hat für einen kleinen
Teil der Wunderbilder auf weitentlegenen
Pfaden der Kunst-, Kultur- und Literatur-
geschichte das Problem in Angriff ge-
nommen und nieisterhaft gelöst. Ans denr
reichen Schatz abendländischer wie orien-
talischer Legenden, der vergleichenden
Religionsgeschichte und literarischer Quellen
über Wunderbilderlegenden fällt auch
einiges Licht ans unser geheimnisvolles
Bild '), auf das Werden und Wachsen
seines Typus. Wohl sind Analogien nicht
immer Beweise für Entlehnung; kunst-
historische und legendäre Parallelen nicht
immer identisch mit kausalen Zusammen-
hängen. Doch sind sie oft Wegweiser ans
denr dunklen Weg der Forschung nach
Ursprung, Entwicklung und Umbildung

') Dobschntz erwähnt diese Gruppe blutender
Bilder nirgends.
 
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