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das aber ist die religiöse Kunst. Hier
veruehmeu wir jene geheimnisvollen Töne,
welche uns stets ergreifen und die edel-
sten Saiten unseres Herzens anklingen
lassen. Hier findet das Auge ein mutiges
und entschlossenes Anpacken und zugleich
eine künstlerisch empfundene Verklärung
der Lebenspiobleme. Dort ist nichts, was
so ans Herz greift: die Profankunst bleibt
an der Oberfläche haften. Sie vermag
wohl, wenn anders sie edel ist, uns zu
erfreuen; Landschaft, Tiermalerei, Genre
und Stillleben dielen auch auf dieser
Ausstellung viel des Erfreulichen. Aber
den Sinn des Lebens enthüllt
u n s e r st t i e f e m p f n n d e n e r e l i g i ö s e
Kunst; und sie erst führt uns zu den
verborgenen Tiefen wirksamster Lebens-
mächte. Von ihr erst gilt Dantes Wort,
das er auf Beatrice bezieht:
„Wen sie würdig hält, den Blick zu heben
Zu ihr, an dein bewährt sie sich zum Heile.
Alls ihrem Gruß wird Segen ihm zu Teile.
Dann wird er gern vergessen und vergeben.
Roch wollte größere Gunst ihr Gott zu-
wenden :
Mit wem sie sprach, der kann nicht sün-
dig enden."
„Es flieht vor ihr, was zorn- und stolz-
belört
Ihr Anblick läßt demütig alles werden,
Und die da mit ihr wandeln, sind gehalten.
Zu preisen Gottes Gnade dankerfüllt."')
Außerordentlich instruktiv ist die
Düsseldorfer Ausstellung auch deshalb,
iveil sie durch die Verbindung einer retro-
spektiven Abteilung mit einer Abteilung
für neirele christliche Kunst des 19. und
20. Jahrhunderts einen Vergleich er-
möglicht zwischen dem früheren christlichen
Kunstschaffen und dem heutigen.
Die retrospektive Abteilung
umfaßt Kunstwerke des 17., 18. und
19. Jahrhunderts ans Rheinland und
Westfalen, Oesterreich und Deutschland. —
Um die elftere hat sich der Maler Gras
Paul v. Merveldt ans Schloß Wocklum >. W.
als Leiter große Verdienste erworben.
Er hat zugleich auch eine Reihe älterer
Werke und ein eigenes hübsches Bildchen
— eine Madonna — ausgestellt. — Die
*) Lyrische Gedichte. Herausgegeben von Kan-
negießer. Gedicht XI S. 43 und Gedicht XUl
S. 49.
österreichische Abteilung ist im Aufträge
des Kgl. und Kaiserl. Ministeriums für
Kultus und Unterricht von Professor
S w o b o d a und Negierungsrat D r e g e r
eingerichtet worden. Das Wiener Knllus-
ministerium verdient den größten Dank
für die Liberalität, mit der es eine Menge
von Kostbarkeiten, die einen enormen
Wert repräsentieren, zur Verfügung ge-
stellt hat. Mit Anerkennung sei auch her-
vorgehoben, daß die Partie des Aus-
stellungskatalogs, welche die österreichischen
Arbeiten behandelt, nicht nur die beste,
sondern die einzig brauchbare ist. Alle
übrigen sind für die Orientierung nur
halb genügend. Biographische Notizen über
Künstler, ihren Bildungsgang und dergl.
sollte man darin nicht vermissen.
Die retrospektive Abteilung für Deutsch-
land umfaßt nur Kunstwerke aus dem
19. Jahrhundert, Oelgeinälde, Aqua-
relle, Handzeichnungen aus rheinischem
und westfälischem Besitz. Es sind vor
allem die Nazarener und ihre Schnle:
Cornelius, Steinle, Führich, Veit, Deger,
Schadow, Karl Müller, Franz Ittenbach
und der leider viel zu wenig beachtete
und gewürdigte TheodorMintrop u.a.m.
Schon daraus ergeben sich einige Mängel
dieser retrospektiven Knnstabteilung. Der
erste liegt darin, daß sie für die Fülle
der vorliegenden Werke viel zu wenig
Raun: enthielt, so daß die Auswahl der
Ausstellungsobjekte außerordentlich er-
schwert wurde. Fürs zweite ist die tat-
sächlich getroffene Auswahl eine etwas
willkürliche geworden. In der rheinisch-
westfälischen Abteilung sind ganz alte
Werke von der romanischen Kunst bis
zum Barock und Louis XVI., von der
einheimischen ivie von der ausländischen
(speziell italienischen) Kunst ausgenommen
worden: die kirchliche Kleinplastik und
das kirchliche Kunsthandwerk dominieren.
In der österreichischen Abteilung domi-
niert gleichfalls das kirchliche Kunstge-
werbe (Juwelierkunst und Paramentik),
und zwar in ganz hervorragenden und
ausgezeichneten Stücken, die sowohl durch
die Feinheit ihrer Technik wie durch den
Reichtum und die Kostbarkeit des Mate-
rials und der Verzierung ganz besonders
in die Augen fallen. — Daneben aber
sind wahre Kabinettstücke der Malerei
das aber ist die religiöse Kunst. Hier
veruehmeu wir jene geheimnisvollen Töne,
welche uns stets ergreifen und die edel-
sten Saiten unseres Herzens anklingen
lassen. Hier findet das Auge ein mutiges
und entschlossenes Anpacken und zugleich
eine künstlerisch empfundene Verklärung
der Lebenspiobleme. Dort ist nichts, was
so ans Herz greift: die Profankunst bleibt
an der Oberfläche haften. Sie vermag
wohl, wenn anders sie edel ist, uns zu
erfreuen; Landschaft, Tiermalerei, Genre
und Stillleben dielen auch auf dieser
Ausstellung viel des Erfreulichen. Aber
den Sinn des Lebens enthüllt
u n s e r st t i e f e m p f n n d e n e r e l i g i ö s e
Kunst; und sie erst führt uns zu den
verborgenen Tiefen wirksamster Lebens-
mächte. Von ihr erst gilt Dantes Wort,
das er auf Beatrice bezieht:
„Wen sie würdig hält, den Blick zu heben
Zu ihr, an dein bewährt sie sich zum Heile.
Alls ihrem Gruß wird Segen ihm zu Teile.
Dann wird er gern vergessen und vergeben.
Roch wollte größere Gunst ihr Gott zu-
wenden :
Mit wem sie sprach, der kann nicht sün-
dig enden."
„Es flieht vor ihr, was zorn- und stolz-
belört
Ihr Anblick läßt demütig alles werden,
Und die da mit ihr wandeln, sind gehalten.
Zu preisen Gottes Gnade dankerfüllt."')
Außerordentlich instruktiv ist die
Düsseldorfer Ausstellung auch deshalb,
iveil sie durch die Verbindung einer retro-
spektiven Abteilung mit einer Abteilung
für neirele christliche Kunst des 19. und
20. Jahrhunderts einen Vergleich er-
möglicht zwischen dem früheren christlichen
Kunstschaffen und dem heutigen.
Die retrospektive Abteilung
umfaßt Kunstwerke des 17., 18. und
19. Jahrhunderts ans Rheinland und
Westfalen, Oesterreich und Deutschland. —
Um die elftere hat sich der Maler Gras
Paul v. Merveldt ans Schloß Wocklum >. W.
als Leiter große Verdienste erworben.
Er hat zugleich auch eine Reihe älterer
Werke und ein eigenes hübsches Bildchen
— eine Madonna — ausgestellt. — Die
*) Lyrische Gedichte. Herausgegeben von Kan-
negießer. Gedicht XI S. 43 und Gedicht XUl
S. 49.
österreichische Abteilung ist im Aufträge
des Kgl. und Kaiserl. Ministeriums für
Kultus und Unterricht von Professor
S w o b o d a und Negierungsrat D r e g e r
eingerichtet worden. Das Wiener Knllus-
ministerium verdient den größten Dank
für die Liberalität, mit der es eine Menge
von Kostbarkeiten, die einen enormen
Wert repräsentieren, zur Verfügung ge-
stellt hat. Mit Anerkennung sei auch her-
vorgehoben, daß die Partie des Aus-
stellungskatalogs, welche die österreichischen
Arbeiten behandelt, nicht nur die beste,
sondern die einzig brauchbare ist. Alle
übrigen sind für die Orientierung nur
halb genügend. Biographische Notizen über
Künstler, ihren Bildungsgang und dergl.
sollte man darin nicht vermissen.
Die retrospektive Abteilung für Deutsch-
land umfaßt nur Kunstwerke aus dem
19. Jahrhundert, Oelgeinälde, Aqua-
relle, Handzeichnungen aus rheinischem
und westfälischem Besitz. Es sind vor
allem die Nazarener und ihre Schnle:
Cornelius, Steinle, Führich, Veit, Deger,
Schadow, Karl Müller, Franz Ittenbach
und der leider viel zu wenig beachtete
und gewürdigte TheodorMintrop u.a.m.
Schon daraus ergeben sich einige Mängel
dieser retrospektiven Knnstabteilung. Der
erste liegt darin, daß sie für die Fülle
der vorliegenden Werke viel zu wenig
Raun: enthielt, so daß die Auswahl der
Ausstellungsobjekte außerordentlich er-
schwert wurde. Fürs zweite ist die tat-
sächlich getroffene Auswahl eine etwas
willkürliche geworden. In der rheinisch-
westfälischen Abteilung sind ganz alte
Werke von der romanischen Kunst bis
zum Barock und Louis XVI., von der
einheimischen ivie von der ausländischen
(speziell italienischen) Kunst ausgenommen
worden: die kirchliche Kleinplastik und
das kirchliche Kunsthandwerk dominieren.
In der österreichischen Abteilung domi-
niert gleichfalls das kirchliche Kunstge-
werbe (Juwelierkunst und Paramentik),
und zwar in ganz hervorragenden und
ausgezeichneten Stücken, die sowohl durch
die Feinheit ihrer Technik wie durch den
Reichtum und die Kostbarkeit des Mate-
rials und der Verzierung ganz besonders
in die Augen fallen. — Daneben aber
sind wahre Kabinettstücke der Malerei