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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 27.1909

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Nr. 11
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Baur, Ludwig: Die Ausstellung für christliche Kunst in Düsseldorf 1909, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15942#0123

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108

deutsche, katholische und protestantische,
kirchliche und außerkirchliche religiöse Kunst
vertreten, sondern auch Frankreich, Belgien,
Holland, England haben bedeutsame Werke
gesandt — nur Italien fehlt, wahrschein-
lich wegen der italien. Ausstellungen dieses
Jahres. — Damit ist zugleich ein höchst
lehrreicher Vergleich gleichzeitiger Ten-
denzen christlicher Kunst in den einzelnen
Ländern ermöglicht. Es mag aber sofort
betont sein, daß nicht alle Objekte, die
ausgestellt wurden, auch wirklich in die
Abteilung für christliche Kunst gehören.
Es sind einzelne Bilder darunter, die
mit dem Christentum genau soviel zu tun
haben als ein japanischer Götzentempel mit
einem katholischen Kirchenbau. Dahin
gehört beispielsweise „der Gottsucher"
von Boden^Heim (Blaubeuren), ein
lang ausgestreckter junger Mensch, der
inmitten einer großartigen Natur sein
Gesicht ans den Boden preßt. Auf den
ersten Anblick denkt man an einen Ver-
unglückten. — Das Suchen Gottes in der
Natur ist nun gewiß auch ein christlicher
Gedanke. Hier aber ist er über einen
naturalistischen Pantheismus nicht hinaus-
gekommen. Das Bild hätte in die Ab-
teilung für moderne Profankunst gehört.
Jedenfalls verrät es nichts spezifisch Christ-
liches. Ebensowenig hätten nach unserem
Dafürhalten die Bilder von Albert
B e s n a r d (Paris) (Raum 34 Nr.34- 39),
die für die Ausschmückung der Hospital-
kapelle Cazin — Perrochaud in Berck
sur Mer bestimmt fiiib1), hieher gehört.
Sie haben mit dem Christentum nur
soviel zu tun, als die stoisch-rationalistischen
Lehren, die sie predigen, teilweise ja auch
christlich sind, aber spezifisch christlich sind
diese Bilder nicht. Das Kruzifix ist hier
zum reinen Symbol geworden. Sonst ist
es eine Verquickung monistisch-natura-
listischer stoischer Ethik mit christlichen
Formeln, was sie vertreten, bezw. das
Christliche an ihnen ist durch Symbolis-
mus defignriert. Zum Beweise brauchen
wir nur die Idee der Bilder vorzulegen: es
sind zwei Serien, von denen die eine das
sittliche Nebel als Ursache der Krankheit,
die andere das menschliche Streben zum

lj Es ist uns unbekannt, wer sie in Auftrag
gab; wohl der Maire?

. Guten als Quelle der Gesundheit dar-
stellt, und zwar:

1. Die Geburt: der Mensch zum Leiden be-
stiuuut. 2. Das sittliche Nebel, die Völlerei, die
Unterdrückung des Schwachen, Laster aller Art
erzeugen das physische Leiden. 3. Das Einzel-
wesen stirbt, das All lebt weiter. 4. Resignation
vor fremdem Leid. 5. Auferstehung. Hoffnung
entsteht im Herzen und regt die Tatkraft an.
6. Operation eines Kranken; der Glaube an die
Wissenschaft und an den Erfolg. 7. Nächstenliebe;
die Menschen helfen sich gegenseitig und tun
Gutes für Gutes. 8. Die Menschheit ist wieder-
gewonnen durch den Glaube», die Hoffnung und
die Liebe, durch die Wohltaten der Wissenschaft
und durch die eigene Kraft. Sittliche und körper-
liche Gesundheit streben dem künftigen Paradies
entgegen. Der Erzieher trägt die Ehrenkrone.
Im oberen fernen Hintergrund stehen Bäume.
Engel, welche die Tugenden darstellen, bauen
am Paradies.

Was hier verkündigt wird, ist der Satz:
Störungen der sittlichen Ordnung rufen
auch Störungen der physischen Ordnung
hervor; sittliche Gesundung und Förderung
der sittlichen Mächte bedeutet auch Hebung
der physischen Gesundheit des Menschen.
— Man wird nicht sagen können, daß
dieser Gedanke spezifisch christlich sei.

Noch mehr gilt dies von gewissen Fried-
hofdarstelluugeu: die beiden Grabieliefs
von Rudolf Bosselt z. B. (zwei not-
dürftig bekleidete Frauengestalten, die eine
mit Vorderansicht, die andere in Nücken-
ansicht, mit durchscheinenden Körperformen)
verraten nicht ein Aloiil ch r i st l i eh e n
Geistes. Sie und andere gehören nicht zur
„christlichen Kunst", sondern schlagen dem
christlichen Empfinden direkt ins Gesicht.
Das ist Neopaganismns in Reinkultur!

Es mag hier gleich eine weitere, allge-
meine, aus der Vergleichung dieser ver-
schiedenen Gattungen abgezogene Bemer-
kung angebracht werden:

Diejenigen Besucher der Ausstellung,
welchen vor allem aur Herzen liegt die
Hebung unserer katholischen Kirchenkunst,
werden sich in ihrem Urteil darüber einig
sein, daß aus de»l Vergleich mit den
Nazarenern und den verwandten Rich-
tungen mit der heutigen katholischen
Kirchenkunst für den katholischen Künstler
sich wichtige und brauchbare Lehren er-
geben :

Die erste ist die, daß die Nazarener
das Heilige ehrfurchtsvoll anfaßten, daß
sie sich der ehrfurchtgebietenden Distanz
 
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