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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 3
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Stummel, Helene: Die Farbe in der Paramentik, [3]
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Baur, Ludwig: Die Ausstellung für christliche Kunst in Düsseldorf 1909, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0043

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29

näre, wie die speklrnleu Farben es nun
einmal in ber Kunst sind, berufen wurden.
(Fortsetzung folgt.)

Dig Ausstellung für christliche Runst
in Düsseldorf J909-

Von Prof. Dr. L. Baur, Tübingen.

(Fortsetzung.)

Beachtenswert sind die vier farbigen Kartons
von E. P fanns chniidt (protestantisch), Kasein-
bilder, die für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-
kirche in Berlin entworfen wurden: Die Anbetung
der Weisen, der Einzug in Jerusalem, die Berg-
predigt und Kreuzigung. Die Bilder sind durch-
weg würdig, an alte Mosaiken erinnernd, in Ge-
wandung, int Kreuzesnimbus Christi, im >segens-
gestus, in der verschleierten Gestalt Mariä ganz
an die Tradition anschließend. Die Wirkling ist
groß und monumental.

Nicht zu befriedigen vermöchte den Referenten
das Bild von Claus Meyer: Der 12 jäh-
r i g e C h r i st u s unter den Pharisäer n
und S ch r i s t g e l e h r t e n i in T e m p e l. Man
braucht sich ja über die Bosheit, einen der Haupt-
bisputatoren unter den Pharisäern und Schrift-
gelehrten als Dominikanerkardinal (Dominikaner-
habit mit rotem Soli-Deokäppchen) nicht allzn-
sehr aufzuhalten, man kann dem ausgezeichnet
erfaßten und glücklich wiedergegebeneit Gegensatz
zwischen der Kniffigkeit und Pfiffigkeit ans der
einen, der einfachen Schlichtheit nnb Geradheit
des Jesusknaben auf der andern Seite seine volle
Anerkennung spendeir und doch das Bild als
Ganzes unannehmbar finden: Jesus ist hier rein
menschlich dargestellt als Knabe in einfachem
grauen Gewaitd, in der linkeit Hand die Schrift- !
rolle, die rechte zum Nedegestus erhobeit, gibt er
ivohl die Ueberlegenheit schlichter Aufrichtigkeit
und Wahrheit über alle Nabnlistik kund, aber
der Grund, warum in diesem zwölfjährigen
Knaben die Ueberlegeirheit so sieghaft zum Aus-
druck kommt, der in seiner Gottmenschlichkeit liegt, !
ist nicht einmal angedeutet. Wie viel erhabener
und glücklicher hat Ludwig Hoffmann in seinem
bekannten Bilde diesen Gedanken zum Ausdruck
zu bringen verstanden!

Der Gang n a ch E m a ü s von K r i n g s zeigt
in rötlichem Blumenfeld drei Gestalten: Christus
in weißem Gewände — breit und großzügig ge-
malt, links ein Jünger in blauent Gewand, rechts
ein alter bärtiger Jünger in weißem Gewaitd
mit einer Art dunkelblauem Schal. — Die Jünger
zeigen eilte ruhige, feine Aktion: der eine voit
ihneit legt die Hand aufs Herz, in der aitdern
Hand hält er einen leibhaftigen Spazierstock! Ich
glaube, das ntuß auf jeden störenv wirken. Solche
Anachronismen können wir mit unserer historischen
Schulung schlechterdings nicht ertrageit. Ich halte
es für ganz verfehlt, unserer Zeit aus den hei-
ligen Vorgängen modern kostümierte Gestalten
oder Detailsausstattungen anzubringen. Am greu-
lichsten ist das z. B. bei der sog. „Vermählung
Mariens" non Iaan Toorop. Ist denn unsere
Zeit umsonst durch die historische Schule ge-
gangen? Ich glaube nicht! und man wird ganz

allgemeiit den Satz aufstellen dürfen: Unsere
Zeit kann gar nicht mehr in gleicher Weise
historisch voraussetzungslos sein und empfinden,
wie irgend eine frühere Epoche der Kuitstgeschichte
dies kottnte. Wir könneir ein — wenn auch un-
historisches — Jdealgewand ertragen, weil es
die Figuren uitd Begebenheiten in eine andere
Zeit versetzt und wenigstens auf diese Weise
unserem geschichtlich erzogenen Bewußtsein ent-
gegenkommt. — Unserer Meinung nach hat man
sich in diesem Punkt von Uhde und anderen zrt
sehr abhängig gemacht und anf eine falsche Bahn
führen lassen. — Auch Gebhardt hat das wohl
herausgefühlt rntd darum — vielleicht außerdem
auch aus konfessionell protestaittischen Erwägungen
heraus — wählte er das Kostüm des XVI Jahr-
hunderts. — Aber auch das wird ben nicht be-
friedigen, der b-en Anachronismus darin erkennt*).
Tissot hat wenigstens in diesem Punkt die
Konsequenz auf feiner Seite.

Doch zurück zu nnserm Bilde: Jit Jesus

’) Im Juliheft (1909) des Christlichen Kunst-
I blattes teilt ber Herausgeber David Koch Ge-
spräche Gebhardts mit, worin letzterer u. a.

I auch die Gewandfrage folgendermaßen be-
1 spricht: „Man hat oft an mich die Frage ge-
richtet, warum ich denn die biblischen Bilder in
! altdeutschem Kostüm male. Ja tvie denn? Sollte
ich etwa weitermalen wie die Nazarener? Anfangs
j dachte ich auch nicht anders, aber meinen pans-
backenen Menschen wollteit die koitventionellen
Gewänder partout tticht passen. Ja, sagten die
klugen Menschen, ich sollte doch es so malen,
wie es gewesen ist, es ist doch im Orient passiert,
das ist doch ein Anachronismus, den ich begehe.
Merkwürdig! — Noch nie hat ein Mensch es zn-
sianve gebracht, in der Form der orientaltschen
Bilder ein aitdächtiges Bild zu malen. Warum
verlangt man denn das voit mir? Malen wir
beim nicht als Deutsche für Deutsche? Wer ver-
möchte in einem fremdländischen Gesichte so
deutlich zrt lesen, als in den Gesichtern, unter
denen er aufgewachsen ist? ... Da hat man
ntich denn gefragt, warum ich denn nicht, wenn
ich durchaus deutsch malen muß, es mache wie
die Alten und die Gegeitwart male. Ja int Ernst
kann man das doch nicht fragen; wie sollte ich
denn die Kriegsknechte und die Priester bei der
Kreuzigung malen? Wie würde noch eine Spur
von Wahrscheinlichkeit übrig bleiben, wenn ich sie
in Uniformen und Ornaten abbilden wollte, würde
man dann mit mir zufrieden sein und mir keinen
Vorwurf machen? Ja, die Alten hätten in ihrer
Naivität die damalige Zeit gemalt. Wcntt ich
diese selbe Zeit abkonterfeite, wäre es nicht mehr
naiv. Nun gut, dann bin ich eben tticht naiv,
aber ich tann doch tvenigstens in meiner Form
sagen, was ich zu sagen habe. Uebrigens haben
auch die alten Deutschen durch gewisse Ab-
weichungen vom Alltäglichen ihre Bilver der
Gegenwart zu entrücken und ihnen einen fremd-
artigen Stempel aufzudrücken versucht. Für uns
ist es nur nicht so anffalleitd, weil die Kostüme
uns noch nicht so geläufig sind. Es ist eben
ein eigen Ding, ob etivas sich dprstellt als eben
i geschehen oder als von den Voreltern über-
kommen." So weit Gebhardt.
 
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