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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 4
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Reiter, Joseph: Einiges über Gewölbeschlußsteine, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0053

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89

diese Notiz nicht weiter auf ihren Wert
prüfen, dagegen die Frage erheben, ob
diese Hand wirklich bisweilen als Schwur-
hand anfzufassen sei, wie bei dem Schwur-
zepter ans dem Rathaus. Unmöglich
wäre das nicht; eine solche Hand würde
dann unter Anspielung ans die Worte:
„Es hat der Herr geschworen und es
wird ihn nicht gereuen, dir bist Priester
ewiglich nach der Ordnung Melchisedechs"
(Ps. 109 V. 4s hinzeigen auf die ver-
borgenen Schätze in den katholischen
Gotteshäusern. Solche Schlußsteine mit
der Schwurhand wären steinerne Tafeln
des Zeugnisses: sie würden unfern Glau-
ben bezeugen an das Priestertum uitb
das Opfer Jesu Christi. Mit dieser Auf-
fassung wäre verwandt, was wir beim
Brcviergebet in der Lebensbeschreibung des
hl. Ulrich finden: „Divina quandoque
peragenti mysteria adesse visa est
manus virtute Omnipotentis cum
ipso Sacris benedicens.“ Auch die
Stelle beim hl. Chrysostomus gehört hieher,
wo er sagt: „Verum et tu laicc, cum
sacerdotem videris oUereutem, ne
ut sacerdotem esse putes boc 1a-
cieutem, sed Christi manum invisi-
biliter extensam“ (feria II infra oc-
tavam Corporis Christi). Also das
Opfer und die segnende Hand Gottes —
das Opfer und die ausgestreckte Hand
Christi! Damit nähern wir uns der
zweiten Bedeutung der Hand mit ihren
drei erhobenen Fingern. Beissel spricht
in seinem Buch über die altchristliche
Kunst und Liturgie von einem Redegestus,
bei welchem der Redende den Zeige- und
Mittelfinger der Rechten nusstreckt (Engel
der Verkündigung und Versuchung), und
von einem Segensgestus, bei welchen!
die Stellung der Finger geradeso ist
wie bei der Schwurhand (Segnung mit
Zeige- und Mittelfinger auf dein Tym-
panon der Kirche zu Heselbach). In
einem gewissen Gegensatz zu diesem la-
teinischen Segensgestus steht der soge-
nannte griechische Segeusgestus. Bei ihm
wird der eingezogene vierte Finger mit
dem Daumen verbunden, der fünfte aber
gleich bem zweiten und dritten aufge-
richtet. (Vgl. das Segnen des Jesus-
kindes auf dem nach der Sage von St. Lu-
kas gemalten Mnttergottesbild. Grie-

chische Form des Segnens ans deutschen
Denkmalen des 13. Jahrhunderts; ein
also segnender Christus in einem Ge-
wölbeschlußstein des Magdeburger Do-
mes. Der Papst soll auch mit zwei
Fingern segnen.) Der lateinische Segeus-
gestus begegnet uns öfters bei Bildern
Christi auf Altären, im Bogenfeld der
Portale usw. (Murrhardt, in der neuen
St. Paulskirche in München), und in
vielen Fällen werden wir auch die auf
den Schlußsteinen erscheinende Hand mit
ihren drei erhobenen Fingern als eine
segnende Hand zu betrachten haben. Noch
sei der Vollständigkeit halber erwähnt,
daß auf den Schlußsteinen auch die ganz
ausgestreckte Hand Vorkommen könnte,
ähnlich wie im Wappen von Hall oder
Mundelsheim, Wappen in der evange-
lischen Stadtpfarrkirche in Freudenstadt,
allein bis jetzt haben wir eine solche noch
nicht beobachten können.

„Quid sibi volunt isti lapides?“

Wir haben schon öfters auf diele Frage
geantwortet und sind dabei zu der Ueber-
zeugung gekommen, daß man immer noch
ein großes Gebiet für die Forschung ab-
zusteckeu habe. Wir wollen hiefür nur
noch einen Beleg auführeu. Man glaubt
schon beobachtet zu haben, daß die Mo-
tive, welche in den Schlußsteinen an-
klingeu, in dem Chorgestühl weiterklingeu.
So sollen sich in dem Münster in Bern
solche Beziehungen zwischen den Gewölbe-
rosen im Chor und dem Chorgestühl da-
selbst Nachweisen lassen. Um hierüber
ins klare zu kommen, müßte man noch
eine reiche Fülle von Material sammeln,
was mit Schwierigkeiten verschiedener
Art verbunden ist, schon deswegen, weil
man in den hohen Chören, namentlich
bei mangelhafter Beleuchtung, die Bilder
auf den Steinen oft gar nicht oder nur
teilweise enträtseln und erkennen kann.

Daß alte Schlußsteine auch in der
Gegenwart noch bisweilen eine Bedeutung
haben, läßt sich dartun durch den Hinweis
auf Hirsau, wo mau unter Zuhilfenahme
der alten Schlußsteine mit ihren Rippen-
ansätzen die Netzeinteilung des alten Ge-
wölbes in der Marienkirche rekonstruieren
konnte.

Von manchem Schlußstein mag mau
sagen, daß er eine Ehrenkrone sei, und
 
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