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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 5
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Rohr, Ignaz: Der Dunninger Bildhauer Landolin Ohmacht, [1]
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hat ihm, ohne es zu wissen, bei einem
Besuch Straßburgs seine Huldigung dar-
gebracht, wenn er einporblickte zu den
Figuren über dem Giebel des Stadt-
theaters anr Vroglie — es ist Landolin
Ohmacht von Dnnuingen. Ich hoffe, ihm
demnächst in einer Monographie ein
größeres literarisches Denkmal setzen zu
können und beschränke mich deshalb hier
ans ein kurzes Lebens- und Charakterbild s.

Er wurde geboren als Sohn schlichter
Landlente im Jahre 1760, also zu einer
Zeit, da Dunniugeu noch zum Gebiet
der freien Reichsstadt Roltweil gehörte.
In seiner Jugend war er das Kreuz
seiner Eltern, da er über dem Hang zum
Holzschuitzen alles andere vernachlässigte
und insbesondere durch seine Saumselig-
keit beim Viehhüten dem Vater verschie-
dene Strafmandate eintrug. Der da-
malige Obervogt Gaßner von Rotlweil
erkannte jedoch an den Arbeiten des
Knaben dessen Talent und veranlaßte den
Vater, ihn weiter ansbilden zu lassen. Er
kam zunächst nach Triberg. Da er jedoch
bald merkte, daß er hier nichts mehr lernen
könne, ging er nach Freibnrg im Breis-
gan. Der Name seines Lehrmeisters ist
nicht mehr mit Sicherheit festzustellen.
Es muß jedoch eine gute Schule für O.
gewesen sein, denn er imponierte am
Schluß seiner Lehrzeit derart, daß
ihnr der Rottweiler Magistrat ein Stipen-
dinnr verwilligte für seine weitere Aus-
bildung bei dein damals hochangesehenen
Bildhauer Melchior in Frankental. Auch
hier machte der junge Schwabe durch sein
Können wie durch seinen Charakter den
vorteilhaftesten Eindruck und wurde dem
Meister nicht nur ein gelehriger Schüler,
sondern auch ein hochgeschätzter Freund.

Im Jahre 1780 kehrte O. in die
Heinrat zurück irnd erhielt — offenbar
ans Verrvendung Gaßners — vom
Magistrat in Roltweil den Auftrag, für
die Heiligkreuzkirche vier Reliefs anzu-
sertigeu: das Brustbild Christi uitö

Petri, das Opfer Melchisedechs und eine
alttestaurentliche Opferszene.

') Die Belege :c. mögen der in Aussicht
gestellten Publikation entnommen werden. Das
einzige Hindernis am Erscheinen der letzteren
ist das Ausbleiben einiger Reproduktionen von
Ohmacht-Werken in Frankreich.

Durch eine eigen!üinliche Fügung des
Schicksals kamen Die vier Arbeiten später
iil die Pfarrkirche der Heinlat des Künst-
lers und befinden sich hellte noch dort,
wenngleich in neuer Fassung und Um-
rahmllngJ).

Auf die Lehrjahre folgten die Wander-
jahre. Sie führten den jungen Künstler
erst nach Mannheim, bann nach Basel
und Zürich, wo er mit Lavater bekannt
und sogar befreundet und durch eine dich-
terische Widmung ausgezeichnet wurde.

Auf diesell Reisen fertigte Ohmacht
Statuetten linb Porträts, namentlich in
Alabaster, der eine sehr rasche Bearbei-
tung zuläßt. In Basel sind heute noch
eine Reihe dieser Reliefporträts vorhan-
den, irnd kein geringerer als W. Bode hat
ihnell das ehrenvolle Zeugnis ausgestellt^),
es mische sich iu deliselben die treue
Wiedergabe der Jndividilalität, die ernste,
naturalistische Behandlung mit dem ein-
schmeichelnden Reiz des Rokoko.

War bei der Beschäftigung in ^rauken-
tal — es handelte sich dabei um An-
fertigung von Modellen für das dortige
Porzellanwerk — ohne weiteres die Ge-
fahr gegeben, der Rorltine und bem scha-
blonenmäßigen Schaffen zu verfallen, so
nötigten die Porträts zu desto größerer
Genauigkeit im einzelneu linö zu desto
peinlicherer Achtsamkeit ans das Jndi-
vidilelle. Der ideale Gewinn dieser Peri-
ode läßt sich also nicht verkennen. Aber
auch der materielle war sehr bedeutend,
denn er ermöglichte die riach darnaliger
Anschauung für jeden Künstler unerläß-
liche Reise nach Italien (1788—1790).
Freilich war es nicht nur der Ertrag
seiner Kunst, sondern neben ihnr die
schlichte Lebensausfassnng und einfache
Lebensweise, welche ihm das „Künstler-
elend" ersparten.

In Italien beherrschten damals zivei
Männer das Gebiet der Kunst: Winckel-
maiut die Theorie3), Canova die Praxis.
Ohmacht hat bei beiden möglichst viel zu * 2

0 An der Westwand des Schiffes und den
Dorsalien der Chorstühle.

2) Geschichte der- Deutschen Plastik, Berlin
1885, S. 248.

8) Winckelmann war bekanntlich schon 20 Jahre
früher zu Triest ermordet worden, blieb jedoch
! noch lange Jahre hindurch Autorität.
 
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