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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 5
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Stummel, Helene: Die Farbe in der Paramentik, [5]
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Gassenmeyr, ...: Die sieben Freuden Mariä im Domkreuzgang zu Brixen in Tirol, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0064

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50

Gesamtstimmung der ganzen Farbenta-
belle schließt aber nicht ans, daß jede
einzelne Farbe ihre eigene Charakteristik
hat und verlangt, daß derselben Rechnung
getragen wird. (Schluß folgt.)

Die sieben Freuden Mariä im
Domkreuzgang zu Brireu in Tirol.

Von Or. Gassen ineyr in Ailingen.

Wer einmal den Krenzgang am Dom
von Brixen in Tirol mit seinen Hun-
derten und Aberhnnderten von Bitderll
und Bildchen auch nur flüchtig durch-
schritten hat, wird ihn nicht so leicht
vergessen und sich wieder versucht fühlen,
wenn er wieder einmal über den Brenner
gewandert ist, in der alten Vischofsstadt
einzukehren und den Krenzgang mit immer
neuem Genuß und neuer Bereicherung
seiner Kenntnisse mittelalterlicher Malerei
zu beschauen. Freilich, als ich das erste-
mal in ihm wandelte, verstand ich gar
vieles sofort, vieles aber auch nicht, und
ich muß gestehen, daß ich damals mit
einer gewissen Unzufriedenheit mit mir
selbst von dannen ging, die Ungewißheit
über so manche Darstellung und ihre Be-
deutung im Kopfe.

Da stehe ich z. V. in der siebten
Arkade und erblicke etwa folgende Bil-
der — es sollen nicht alle angeführt
sein: da ist eine Bärin, welche ihre un-
gestalten, fast viereckigen Jungen beleckt;
da sehe ich eine Löwin, vor ihr ihre wie
tot daliegenden Jungen, die sie anbrüllt;

gaben machen, z. 33. wenn man einen Stoff in
einem bestimmten Ton eingesärbt haben will.
Außerdem ist es fast unmöglich, bei Gebrauch
dieser Stickseiden auf einem gulfarbigen Stoff
etwas Unharmonisches, Häßliches hervorzubringen,
weil eben, wie die Tabelle zeigt, die Farben
untereinander eine edle Harmonie verbindet, so
daß kein Ton den andern siört oder stößt. Wert-
voller ist gutes Material in der Hand dessen, der
die Psychologie der Farben so weit erfaßt hat,
um zunächst eine Anhäufung zu vieler Farben zu
vermeiden. Dann wird eine Anordnung der zu
verwendenden Töne nach dem künstlerischen Prinzip
von hell und dunkel, farbig und farblos, warm
und kalt zu der Schönheit der einzelnen Farben
den Rhythmus, die Stimmung, eine künstlerische
beglückende Harmonie über das Ganze ausgießen.
Altes Ornament von sehr reichem Formen- und
Farbengehalt ist oft ohne jede Schattierung in
wenigen, nach einer oder mehreren der obigen
Regeln gruppierten Tonen gestickt und dadurch von
hervorragender Schönheit.

da sehe ich einen Kranken, der im Belte
liegt, ein Bogel steht ihm gegenüber, der
ihn anblickt; da steht ein Pferd, mit er-
hobenem Schweif. So viel aus der Tier-
welt. Aus der Menschenwelt: eine Jung-
frau — die römische Gewandung kenn-
zeichnet sie als Vestalin — trägt ein
Sieb mit Wasserinhalt, eine andere Jung-
srau steht anr Ufer eines Flusses und
zieht ein festgesahrenes Schiff an ihrem
Gürtel. Was soll dies alles heißen imb
bedeuten? Was lim diese Bilder in
einem Krenzgang? So fragte ich mich.
Daß die erste Vestalin die Tnccia sei,
welche, um ihre Jungfranschaft zu be-
weisen, Wasser in einem Sieb trägt, daß
die zweite Vestalin die Claudia sei, die
zum selben Zweck ein Schiff durch Ziehen
mit ihrem Gürtel flott macht, das wußte
ich aus meiner alten Philologenzeit.
Aber was bedeuten diese Tierszenen?
Erst als ich später das hübsche und
(„Archiv" 1889 S. 31) von einem offen-
bar gediegenen Kunstkenner warm emp-
fohlene Büchlein von Hans Semper:
„Wandgemälde und Maler des Brixerer
Kreuzgangs", Innsbruck 1887, in die
Hände bekam, dann den weitergehenden
Artikel im selben „Archiv" 1889, S. 75
und 88: „Die Wandgemälde im Dom-
kreuzgang zu Brixen" gelesen hatte, ging
mir ein Licht ans; noch mehr, als bei
einer zweiten Anwesenheit in Brixen ein
neueres Buch über besagten Krenzgang
mir sich anbot, das in der Erklärung
der Vilderzpklen weitergeht als die beiden
angeführten Knnstschriststeller, nämlich
Joh. Ev. Walchegger: „Der Krenzgang am
Dom von Brixen", 128 Seiten mit zwölf
feinen Lichtdrnckbildern, Brixen 1895.

Genannte siebte Arkade enthält näm-
lich ein großes Bild der Geburt Christi
aus Maria der Jungfrau, also seine
wunderbare Geburt. Auf den Inhalt
dieses Gedankens, beziehungsweise ans die
jungfräuliche Mutterschaft Mariens
beziehen sich die oben angeführten Bilder.
„Wenn in der Geschichte der Menschen
und in der sie umgebenden Natur ein
neues Leben entstehen kann außerhalb des
gewöhnlichen Ganges der Natur, oder
wenn in einzelnen Fällen die gewöhn-
lichen Naturkräfte als aufgehoben be-
trachtet werden können: warum sollte es
 
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