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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 10
DOI Artikel:
Baur, Ludwig: Die Fugelschen Fresken in der kath. Stadtpfarrkirche zu Ravensburg, [4]
DOI Artikel:
Reiter, Joseph: Denkwürdiges aus alten und neuen Kirchen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0117

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95

realistische Perspektive und Modellierung
der Formen, war die Schlichtheit der
Linienführung und Komposition bedingt."

Wir dürfen den Meister und die Ge-
meinde Ravensburg zum vollendeten Werke
aufs wärmste beglückwünschen und die
Hoffnung aussprechen, daß die Kirche von
Ravensburg noch recht viele Nachfolge-
rinnen in unserer Diözese haben möge,
die gleich ihr den Schmuck einer wirklich
wertvollen künstlerischen Ausmalung
erhalten und prangen irr vestitu deaurato
circumdata varietate.

Denkwürdiges aus alten und neuen
Kirchen.

Von Dekan Reiter, Vollniaringen.

I.

Es gibt bei uns noch viele, gut erhaltene,
aus dem Mittelalter stamniende Chöre,
und es mutet mich immer etwas eigen-
artig an, wenn mir in denselben so ganz
moderne bildliche Darstellungen begegnen;
ich denke da beispielshalber an die heilige
Familie in moderner Auffassung, au die
Bilder des heiligsten Herzens Jesu und des
unbefleckten Herzens Mariä u. dgl. Ich
möchte nun keineswegs einen herzlosen
und kunstfeindlichen Purismus vertreten;
ich weiß recht gut, daß wir nicht mehr
im Mittelalter leben, und weiß auch, daß
schon im Mittelalter St. Gertrud und
St. Mechthild das heiligste Herz unseres
Erlösers verehrt haben, allein mittelalter-
liche Chöre scheinen doch daun einen be-
sonderen Reiz zu haben und einen beson-
deren Zauber auszuüben, wenn sie solche
Motive und solche Bilder ausweisen, welche
dein mittelalterlichen Joeenkreise entnom-
men sind und mit dein mittelalterlichen
Altarhause zu einem kräftigen Akkord zu-
sammeuklingen. Allerdings ist die Kirche
fein Museum — früher hat sie öfters auch
Museumszweckeu gedient — und soll es
auch nicht werden, allein da, wo es sich
leicht machen läßt, sollte man kein Be-
denken tragen, das Mittelalterliche in der
gedachten Weise zur Geltung zu bringen.

Die Bedeutung der aufgerollteu Frage
kam mir erst neulich wieder lebhaft zum
Bewußtsein, als ich aus Hohkönigsburg
bei Schlettstadt in der dortigen Burg-
Kapelle ans einem Fenster ein im mittel-

alterlichen Stile ausgeführtes Madonna-
bild erblickte und einige Tage hernach in
der romanisch-gotischen Burgkapelle aus
Hohbarr bei Zaberu ein plastisches Bild
des heiligsten Herzens Jesu und ebenso
des unbesteckten Herzens Mariä.

Dürfen überhaupt Bilder des Herzens
Jesu und des Herzens Mariä nebenein-
ander und einander gegenüber zur Ver-
ehrung ausgestellt werden, z. B. in Fenster-
gemälden, auf Rebenaltären, beim Ein-
gang in den Chor n. drgl.? Eine kirch-
liche Entscheidung hierüber ist bis jetzt
noch riicht ergangen; die Praxis be-
jaht die Frage, die Dogmatik scheint sie
zu verneinen im Hinblick darailf, daß
Christus auch in der Verehrung seiner
ruenschlicheti Natur wegen ihrer Ver-
einigung mit der zweiten Person in der
Gottheit Anbetung gebühre, während
Maria nitch bei der Hpperdnlie bloße
Verehrung znkomme. Scheeben vertritt
einen anderen Standpunkt und bejaht un-
sere Frage. Gerade wenn das Herz Mariä
verehrt wird, sagt er, dann kommt Maria
nicht als Heilige in Betracht, sondern
ganz spezifisch als Mnttergoltes, wegen der
einzigen Wichtigkeit, welche gerade das
Herz hinsichtlich der Mutterschaft hat.
Bei Maria ist ihr Herz das Lebenszen-
trum ihrer Person (das Herz ist das, was
Maria gerade zu der Person macht, als
welche sie sich von allen anderen Menschen
unterscheidet, nämlich zur Muttergottes),
da das Herz spezifisch das Organ der
leiblichen wie der geistlichen Mutterschaft
ist. Daneben weist Scheeben auch noch
hin auf die m seiner Mariologie ihm
eigentümliche Lehre, wonach Maria das
Herz des mystischen Leibes Christi ist,
uitb zieht nun für die Praxis den Schluß:
„Weil die tiefen dognratischen Gründe,
welche die Andacht zu dem heiligsten Herzen
Jesu und zu denr reinsten Herzen Mariens
bestimmen, beide Herzen in innigster or-
ganischer Verbindung darstellen, so recht-
fertigen sie es auch, beide als Gegenstand
der Andacht miteinander zu verbinden und
daher nebeneinander abzubilden."

Wenn nun aber die genannten Bilder
nebeneinander ausgestellt werden dürfen,
welchen Platz haben sie bann näherhin
anzusprechen? Hält man in den ver-
schiedenen Kirchen Umschau, dann gewahrt
 
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