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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 11
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Mielert, Fritz: Spätgotische Wandmalereien in einer schlesischen Dorfkirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0131

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109

der geben die Erklärung zu dem Tun der
Frauen, welche Tugenden darstellen. Oben
über dem Haupte des Gekreuzigten ragt
die Fides (Glaube) hervor, die ihm mit
teilnahmsvoller Gebärde die Dornenkrone
aufs Haupt drückt. Auf dem über ihr
fchwebenden Spruchbaude leseu wir (hier
der Deutlichkeit halber hochdeutsch wieder-
gegeben): „Die Judenschaft wird gebannet
unter die Erden." Die Misericordia
(Mitleid) nagelt ihm
die rechte Hand fest
und spricht: „Gottes
Zorn ich hier binde
an dem werten Got-
teskinde." Die Justi-
tia nagelt die linke
Hand mit den Wor-
ten : „Das war Got-
tes Gerechtigkeit, daß
er duldet Jammer-
keit." Die Spes
(Hoffnung) fängt )ein
Blut aus der Brust
auf und spricht: „Er
ist mir vorgegangen
utid Hab ich ihn um-
fangen." Die Cha-
ritas (Liebe) stößt
ihm den Speer in
die Seite und ruft:

„Dein Uebermaß «ist
so (dul), daß du für
den Sünder vergossest
dein. Blut." Die
Humilitas (Demut)
bindet feine Füße
und sagt: „Christus
von rechter Demülig-
keit seine bitteren
Schnierzen leid(e)t."

Und die Patientia ..Kreuzigung Christi" im
(Geduld) nagelt di- Kreis

Füße an und spricht:

„Christus mit ganzer Geduld bezahlt der
Sünder Schuld." Unten am Stamm die
an der Kreuzigung nicht beteiligte Ecclesia
(Kirche), welche spricht: „Ekklesia, ich bin ge-
nannt die Christenheit, ich gebe die Freude
der Welt." (?) Links am Stamm sah
man die heute durch ein später angebrachtes
steinernes Sakramentshäuschen veideckte
Synagoge, ebenfalls als Frau mit einem
jetzt unleserlichen Spruchbande. Es, ist

schon viel nach einer Erklärung dieser
Kreuzigungsdarstellung gefahndet worden ,
leider, da das Bild weder ein Vor- nocf)
ein Nachbild zu haben scheint, bisher ver-
geblich. Die mittelalterliche Theologie
erging sich ja viel im Garten dein Dog-
matik, und wir könnten manches Gleich-
nis, das Aehnlichkeit mit obiger Dar-
stellung hat, anführeu, aber Erklärung
bietet keines, selbst nicht die von Bernhard
von Clairvaux, die
unserer Darstellung
noch am nächsten
steht. Unser Bild
läßt vorläufig keine
andere Deutung zu
als: Christus stirbt
durch die Tugenden,
welche die seinigen
waren, sie werden
seine Mörder. Nur
eine tut ihm kein
Leid, die Spe3, sie
fängt feilt Blut auf
wie aus Mitleid.

Wenn auch die
Malereien int Laug-
hause ihrem Kunst-
werk nach nicht an
die im Chore heran-
reichen, so sind sie
doch von großem
knnsthistyrischeu In-
teresse, schon wegen
der Ausführlichkeit,
mit welcher die bib-
lische Geschichte hier
dem Volke vor Augen
geführt wird. Sie
bilden eine b i b 1 i a
pauperum, wie
Pfarrkirche pe j0 vollständig

kaum wieder in
Wandbildern Vor-
kommen dürfte. Der bedeutendste und
auffallendste Teil dieser Malereien des
Langhauses findet sich ans der Chor und
Langschiff voneinander trennenden Wand.
Es ist eine Darstellung des Weltgerichts,
deren Einzelheiten zu erläutern überflüssig
ist, da ein Blick auf das Bild ebensogut
belehrt. Nur ans die wegen der Fülle
des Veranschaulichten in sehr kleinem Maß-
stabe gegebenen Darstellnngen auf den

Brieg (Schlesien).

(Phot. Fr. Mielert.)
 
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