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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 28.1910

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Nr. 12
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Baur, Ludwig: Die neue katholische Stadtpfarrkirche in Cannstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.16250#0141

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wechselreich, harmonisch wohltuend in den
Verhältnissen.

Die Ausmalung der Kirche wurde
besorgt von Loosen. Sie ist rein orna-
mental und hält sich in bescheidenen Gren-
zen entsprechend den bescheidenen Mitteln,
die dafür zur Verfügung standen. Das
ganz richtige Prinzip, die architektonischen
Bauglieder zu unterstützen, ist hiebei be-
sonders beiout worden. Dem Referenten
erscheint es etwas zu stark, fast möchte
man sagen: etwas zu aufdringlich betont
und mit dieser Steinmalerei etwas trocken
und nüchtern.

Die I n n e n a u s st a t t u n g der Kirche
ist zwar einfach-bescheiden, aber gefällig
und künstlerisch sein, modern und doch
nicht exzessiv und anstößig. Sie schließt
sich im ganzen der Architektur gut an,
obfcbou die Holzarbeiten im einzelnen un-
verkennbar nach anderen Kunstprinzipien
ausgeführt sind.

Das gilt vor allem vom Hochaltar,
der ein ebenso originelles als geschmack-
volles Werk des Meisters Schnell ist. Es
muß zugleich zum Lobe des Künstlers ge-
sagt werden, daß er sich nicht bloß in
formalistischen Ornameutierungen verlor,
sondern daß sein Werk belebt und ver-
geistigt ist durch einen lies erfaßten, ein-
heitliche!!, katholischen Glaubensgedanken:
die Theologie der Eucharistie.

Schnell ist offenbar darauf ausgegangen,
feinem Altar eine raumabschließende und
ruhig flächige Wirkung zu geben, geeignet,
das Auge festzuhalteu und hier, am Taber-
nakel, zur Ruhe kommen zu lassen. Für
die Mensa wählte er die Tischforut: die
Platte ruht nach vorn auf zwei Säulen-
paareu, nach rückwärts auf dem Stein-
aufbau. Das Frontale wird gebildet

durch eine getriebene Vrouzeplatte, in der
Geislinger Metallwarenfabrik hergestellt,
auf welcher nach der von Schnell ent-
worfenen Zeichnung der siebeuarmige Strom
der sakramentalen Gnaden dargestellt ist;
darüber der Hl. Geist (septitdrmis
munere); links und rechts in einem
reichen dekorativen Gerauke trinken zwei
Hirsche aus den Wassern des Heils (nach
Ps. 41,2. „Quemadmodum desiderat
cervus ad fontes aquarum ita desi-
derat anima mea ad te Deus"j. lieber
der Mensa ist als Zwischenstück eine hohe

Leuchterbank zu beideil Seiten des Taber-
nakels angebracht. Die Tabernakeltüren
geigen getriebene Arbeit (mit Steinverzie-
rung), welche den eucharistischen lyßvg
darstellt und so sehr ansprechend aus ein
altchristliches Symbol zurückgreift. Ueber
diesem Zwischenstück erhebt sich beherrschend
der Taberuakelthronus und zu beiden Seiten
der Bilderaltar. Der baldachinartige Ex-
positioustabernakel ruht auf vier Säulen
und ist überragt von einem zusammeu-
rankenden Laubdach, gebildet aus einem
üppigen Geschlinge von Weintrauben,
Aehren und Blättern. Aus diesem Ge-
rauke heraus wächst der Kruzifixus
— ein plastisches Kabinettstück, aus welchem
die tüchtige Schulung des Meisters an
dem ernsten romanischen Stilgefühl ver-
nehmbar und wohltneud herauskliugt: Ernst
und Milde, Hoheit und Liebe sprechen aus
diesem Kruzifixus, der weder weichlich
sentimental, noch abstoßend brutal ent-
worfen ist: vor dieseur Bilde kann man
beten und zelebrieren.

Der Bilderaltar umfaßt links und rechts
vom Tabernakel je eine Gruppe von vier
teils knienden, teils stehenden Heiligen
(links Frauen, rechts Männer), die zunl
heiligsten Altarssakrament in näherer Be-
ziehung stehen: Agnes, Barbara, Klara
und Theresia; rechts der hl. Taicisius,
der hl. Johannes Evangelist, Augustinus
und St. Thomas, der Dichter des wunder-
bar schönen und gedankeutieseu Fronleich-
namosfiziums. Diese Gestalten sind durch-
weg edel, aber nicht alle gleichwertig:
so erscheint Tarcisius etwas herkömmlich
handwerklich, Johannes etwas zu modern
outriert; am charaktervollsten erscheint
Thomas, und — täusche ich mich nicht —
lo sind die heiligen Frauen im großen
ganzen zu schärferer charaktervoller Dar-
stellung gekommen. Beachtenswert und
nachahmenswert sind die Grundsätze, welche
der Meister bei der Polychromierung der
Figuren in Anwendung brachte: nichts
mehr von den bisher so oft gesehenen
abstoßenden, schreienden Farben, sondern
weiche, ruhige, in das Gesamtbild sich
fügende Töne.

Eingefaßt und gekrönt ist der Altar
durch eine im Rundbogen geschlossene Säu-
lenstellung (mit auffallenderweise satt-
grünen Säulen, wofür ich den Grund
 
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