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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 29.1911

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Nr. 5
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Rohr, Ignaz: Die Karlsruher Trübner-Ausstellung, [2]
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46

eine Kirche würde ich es nicht hängen,
nicht etwa deshalb, weil die Pferde aus
demselben die Hauptrolle zn spielen
scheinen. Es scheint nur so; aber der
Schein ist allerdings sehr stark. Der
Vordergrund hat ihrer viere, der Mittel-
punkt drei, und im Hintergrund rechts
ziehen zwei ab und links stürmt eines
mit leerem Sattel davon und der Reiter
liegt am Boden. Von denen im Vorder-
grund bäumen sich drei ans, und das
vierte schlägt nach hinten aus, so daß der
Reiter sich an der Mähne halten muß.
Der Schimmel zur Rechten des Kreuzes
steigt kerzengerade empor, und sein Kopf
reicht bis zur Brust des Herrn herauf,
und durch seine Farbe hebt er mit
dem Christnskörper sich sehr lebhaft
von seiner dunklen Umgebung ab. Daher
zunächst der Eindruck einer „Roßphantasie".
Nun hat der Künstler als Einjähriger
bei beu Dragonern gedient und sich selber
in Dragoneruniform „mit Sporen und
Kanonen" an den Beinen und — der
Palette in den Händen gemalt. Allein
auch Raffaels Kreuztragung hat einen
Reiter; bei andern Darstellungen reiten
sogar einzelne von den Hierarchen.
Rur stehen die Reittiere bei ihnen in
statuarischer Ruhe da oder gehen ge-
messenen Schrittes. Einzig das Wilde
und Ungezügelte an ihnen ist also
Trübners Neuerung. Was wollte er
mit ihr? Den Eindruck der schreckhaflen
Ereignisse beim Tode Jesu steigern. Die
Erde bebt und gibt ihre Toten wieder.
Der Himmel verdüstert sich, und nur ein
schmaler Fetzen grellen Lichts blitzt zwi-
schen den Wolkenbällen auf und wirft
seine grellen Reflexe als einen scharfab-
gegrenzten Streifen ans Christi Kreuz und
die Schar zu seinen Füßen. Auch die
Menschen müssen erst wieder festen Boden
und sichere Haltung gewinnen. Daß nun
die Pferde voni Aufruhr in der Natur
und den Gemütern der Menschen mit
fortgerissen werden, ist selbstverständlich,
und die Art, wie sie sich durcheinander
drängen, hilft den schreckhaften Eindruck
des Ganzen noch steigern. Ebenso hat
die eigentümliche Beleuchtung ihren guten
Sinn und ihre treffliche Wirkung. Das
Halbdunkel ringsum erhöht das Unheim-
liche des Eindruckes. Der grelle Schein

um Christus zeigt das Granen unter den
Menschen und hebt ihre malerischen Ge-
wänder wirksam aus der neutralen Um-
gebung heraus. Der lichte Schein am
Himmel, der ans die Hauptgestalt und
von ihr auf die Umgebung niederflntet,
mutet an wie ein Gruß des ewigen Lich-
tes an den, der als das Licht in die
Welt kam und nun seine Mission in ihr
ehrenvoll erfüllt hat, so daß sein Licht
ihr fortan leuchtet und sie dereinst zn
seiner Herrlichkeit führen soll.

Und wer auch nur an den äußern,
den koloristischen Qualitäten des Bildes
hasten bleibt, der wird seine Freude daran
haben, wie mit dem Mantel des Reiters
in der vorderen Ecke Rot einsetzt, dann
mit dem Blau des Gewandes der näch-
sten Frau sich zu Violett mischt im
Kleide Mariens, wie dies Blau mit dem
Gelb bei Magdalena sich zu Grün in
dem Mantel des Johannes verbindet
und dies Farbenspiel in interessanten
Varianten ans der andern Seile des
Kreuzes wiederkehrt. Trotz alles „Schrul-
lenhaften" wird man ans alldem doch eine
scharf nmrissene Eigenart und souveränes
Schalten mit den Darstellnngsmitteln der
Kunst erkennen.

Weniger „bedenklich" ist der „Krenz-
gang in Seeon", ein Zug von Knaben,
die unter Führung eines im Schmuck
des Ministrantenornates das Kreuz voran-
tragenden Genossen in einen Klostergang
einschwenken. Es ist ja ein Gegenstand,
bei dem sich sehr viel „denken" läßt:
die Jugend, die Trägerin der Zukunft,
in dem alten Gemäuer, dem steinernen
Gruß einer längst entschwundenen Zeit,
und ihnen voran das Kreuz mit seinen
wechselvollen Schicksalen. Auch die gute
Haltung der Jungen scheint zn solchen
Reflexionen zn stimmen. Und doch sagt
das Gemälde auch dem noch genug, der
nur auf die Mache sieht und beachtet,
wie Rot, Braun, Grau in den ver-
schiedenen Nüancen sich verbinden und
den anmutigen Raum schmücken.

Daß Sujets wie „Adam und Eva"
oder „Salome" oder „Snsanna" keine
religiösen Neben- oder gar Hauptabsichten
haben, beweist ihre unheimliche Verwandt-
schaft mit dem „Urteil des Paris" oder
„Akt angelehnt" oder „Im Liebesgarten".
 
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