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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 29.1911

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Nr. 8
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Baur, Ludwig: Der Einfluß des Orients auf die Ausbildung der christlichen Kunst des Abendlandes, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16251#0084

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75

Kreuzkuppelbasilika herauszufinden und die
Führung auf Kleiuasieu zu übertragen.
Es stehen sich hier zwei gerade diametral
entgegengesetzte Auffassungen gegenüber,
deren eine von Strzygowski, deren andere
von Wulff vertreten wird. — Bei beiden
spielt, wie es scheint, die Sophienkirche
(Krenzknppelbasilika) in Theffalonich, bei
Strzygowski auch die Kirchenrnine von
Philippi die Rolle des Verbindungsgliedes
in der Entwicklung.

Die Sophienkirche in Thessa-
lonich bezeichnet Strzygowski als einen
Kuppelbau allerersten Ranges, und zwar
von jener Art, die wir die kleinasia-
tische nennen dürfen, deren Hauptmeister
Anthemios von Dralles und Isidor
von Milet die große Hagia Sophia
am goldenen Horn erbauten I. — Das
bantechnische Charakteristikum dieser Salo-
nikikirche liegt darin, daß sie (int Gegen-
satz zu Sergios und Vakchos in Konstan-
tinopel und San Vitale in Ravenna, ivo
die Kuppel von einem durch Exedren
erweiterten Stützenachteck getragen wird)
die kleinasiatische Lösung anfweist: ein
nach allen Seiten offenes Stützenquadrat,
das durch Peudenlifs in die majestätische
Kuppel überleitet unb damit einen pracht-
vollen Einheitsrnunr erzielt. Die Kuppel-
stützen haben Durchgänge, die sich recht-
winklig durchkreuzen. Das Ganze ist von
einem Umgang umzogen und hat eine
Franeugalerie mit Stützeuwechsel nach
bem Kuppelraum zu geöffnet. Strzygowski
datiert den Bau gleichzeitig oder früher
als die Hagia Sophia in Konstantinopel
(6. Jahrhundert).

Strzygowski denkt nun daran, daß die
Krenzknppelbasilika in Kleinasien selb-
ständig entstanden und hier unter Führung
von Ephesus bereits im 4. und
5. Jahrhundert im westlichen kleinasiatischen
Küstengebiet zu einem festen chalbbasili-
kalen Typus sich entwickelt habe, um sich
von da aus rasch ins tiefe Innere Klein-
asiens hinein zu verbreiten. Von da ans
wäre dann die byzantinische Weiterent-
wicklung dieser Bauweise zu erklären.
Zugleich wäre folgendes zu beachten:
während die Kuppelbasilika und die Kreuz-
knppelkirche (ausgenommen die eigentlich

kreuzförmigen Anlagen, wie z. B. Galla
Placidia in Ravenna) im Westen des
Reiches keine Nachahmung fanden, hat
nach Strzygowski die beiden Typen der
Basilika mit Querschiff und der
Rotunde mit Umgang von Kleinasien
entlehnt (z. B. Santa Constauza in Rom).

Anders stellt sich der Gang der Ent-
rvicklnng bei Oskar Wulfs dar. In
seinem Werk „Die Koimesiskirche in Ricäa
und ihre Mosaiken" (Straßburg 1903)
konstatiert er als einen einheitlichen Bau-
typus die Koimesiskirche in Ricäa, die
Sophienkirche zu Thessalouich, die
Klemeuskirche zu Aucyra, die Kirche
von Dere Aghsy (— die Kirche im Kassa-
batale), die Nikolauskirche von Myra und
die Doppelkirche von Ephesus. Dieser
Bautypus erscheint bei Wulff als ein
Moment der byzantinischen Architekturent-
wicklung, die von der Hagia Sophia in
Konstantinopel und ihren Vorstufen aus-
geht. Nach ihm ist der Baumeister
Authemios von Tralles der erste, der die
Vereinigung von Basilika und Zentral-
bau vollzog. Es liege, sagt er, kein
zwingender Grund vor, „daß in Klein-
asien vor Erbauung der Sophienkirche
bereits eine einheitliche Bauform gewonnen
war, in welcher der Gegensatz zwischen
Basilika und Zentralbau seinen befrie-
digenden Ausgleich gefunden hätte".

Das Ganze ist also vor allem eine Frage
der Priorität und der Datierung. Vor
allem ist nach Wulfs die Hagia Sophia
in Thessalouich später als die Hagia
Sophia in Konstautiuopel, und zwar
aus bautechnischen Gründen: „Saloniki
sieht dem kanonischen mittelbyznutiuischeu
Vautypus so viel ähnlicher, daß man sich
schwer vorstellen kann, wie man nach
solcher Lösung noch auf die viel kompli-
ziertere Anlage der Hagia Sophia ver-
fallen konnte *) 1)." Dementsprechend läßt
Wulff den halbbasilikalen Typus aus der
Knppelbasilika erst in Anlehnung an den
Bau des Authemios (Hagia Sophia in
Konstantinopel) entstehen. Erst damit
(mit der Hagia Sophia in Thessalouich)
wäre eine brauchbare Form entstauben.
Und er schließt seine Ausführungen mit
dem Satze: „Die hellenistische Knppel-

*) Oriens christianus I (1901) 153 ff.

l) Byzant. Zeitschrift XIII (1901) 561 ff.
 
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