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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 1
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Fischer, J.: Erziehung und religiöse Kunst, [1]
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Weser, Rudolf: Zur Erklärung mittelalterlicher Kunstwerke: (Gmünder Kunst)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0011

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6

abgebrochene Vorleseu zu langweilig. Ich
nahm das Buch uud las es für micl)
gauz aus. Ich kauu es nicht mit Worten
beschreiben, ivas ich dabei empfand. Ich
u'eiule aus Herzensgründe, daß ich
schluchzte. Mein ganzes Wesen war da-
von erfüllt und durchdrungen, und ich
begriff nicht, wie mein Hofmeister und alle
Leute im Hause, die doch das alles schon
lange wußten, nicht ebenso gerührt waren
nnd auf ihre alte Weise so ruhig sort-
lebeu konnten" (I, 5).

(Fortsetzung folgt.)

Jur Erklärung mittelalterlicher
Kunstwerke. (Gmünder Aunst.)

N. Weser, Kaplan in Gmünd.

Es läßt sich nicht lengnen, daß manche
mittelalterliche Skulpturen oder Oel-
gemälde bem Kunsthistoriker, dem Dilet-
tanten rvie bem Manrr vom Fach, man-
ches Rätsel aufgeben, das nicht immer
eine befriedigende Lösung findet. Aber
ebensowenig kann mau sich verbergen,
daß die zünftigen Kunsthistoriker, denen
mau doch besondere Sorgfalt in der Er-
klärrtng alter Kunstwerke mtb tieferes
Eindringen in den Geist, aus dem sie
geschaffen, und in die Zeit, in der sie
geschaffen wurden, zutrauen sollte, sehr
oft mit staunenswerter Oberflächlichkeit
über die obengenannten wissenschaftlichen
Forderungen hinweggehen. Es drängt
ttlich, hier ein paar Beispiele anzuführen,
die uns Württemberger sehr nahe be-
rühren. Die Bemerkungen, die ich hier
zu amtlichen uud privaten kunsthistorischen
Verösseutlichuugeu mache, sollen zeigen,
daß Urteile und Aeußerungen, die zum
Teil mit apodiktischer Sicherheit gegeben
sind, bei näherer Betrachtung sich als j
aufgelegte Jrrtümer uud Unrichtigkeiten
Herausstellen, uub daß derartige Beurtei-
lungen auf andere mit einer gewissen
suggestiven Kraft wirken uud von ihnen
ohne weiteres als etwas Unzweifelhaftes
au- und ausgenommen werden.

So wäre es eine verdienstliche wie
notwendige Arbeit, wenn in den einzelnen
Oberämtern und Dekanaten je von einem
Kenner der betreffenden Kunstdeukmale
das große Werk der K u u st - u u b
A ltertu m s d eukmale Württembergs

einer geil alteren Durchsicht unter-
zogen mürbe und dabei die Unrichtigkeiten
gesaminelt und ihre Verbesserungen ge-
geben würden. Wie sehr das notwendig
ist, hoffe ich durch einige Bemerkungen
über die Behandlung der G m ü uder
Heiligkreuzki rehe it. n. darzutun.

1. Int Inventar U S. 380 wird z>l
den Skulpturen am äußeren C h o r -
ll m gang der Heiligkreuzkirche geschrie-
ben: „in den Nischen der Chorstrebe-
pfeiler (sind) sitzende Figuren (ailgebracht),
deren ikouographischer Zusammenhang
lockerer ist. Von Süden herum ergibt
sich folgende Reihe: Kaiser, Papst —
diese zwei zu seiten des Portals, —
Kardinal, Bischof, Franziskus uud andere
Mönche lind dazwischen St. Christoph,
Gottvater mit dem Bild des gekreuzigten
Sohnes lind der Taube des Heiligen
Geistes ... Die Figur der Kaiserin

am Pfeiler links bei der Sakristei ist
neu." Um gleich mit der letzteren zu
beginnen, so ist das gar keine „Kaiserin",
sondern die hl. Elisabeth, Laudgrästn
von Thürillgen, die ans ihrelil Schoß eine
Anzahl Brote trägt, von beiteit sie eines
mit ihrer Rechten zunl Austeileu ergriffen
hat. Die Skulptur ist neu uud wurde
um 700 Mark angeserligt vor etwa
zwanzig Jahren. Was früher iu der
Nische war, ist liicht luehr bekannt. Der
ikouographische Zusammenhang der an-
dereli Figllreu ist allerdings bei obiger
Erklärung sehr locker. Aber die Er-
klärung ist auch gründlich daneben ge-
raten. Was als Papst, Kardinal, Bischof,
Mönch bezeichnet ist, fiub nämlich nichts
anderes als die vier la t e i n i s ch e il
K i r ch e ll v ä t e r: Gregorius mit der

Papstkrone, Ambrosius mit der einem
Kardinalshut ähnlichen Mitra, Augustinits
ilud Hieronymus mit dem Kreuzstab in
der Linken uub als Mönch gekleidet,
lvegen seines Aufenthalts als Einsiedler
bei der Grotte von Bethlehem. Als
Kirchenlehrer sind sämtliche vier Figltreu
obendrein noch besonders gekenlizeichnet
dilrch eill Schriftbaud, das aus ihren

1) Die Kunst- und Altertuinsdenkmale im
Königreich Württemberg. Bearbeitet im Auf-
trag des K. Ministeriums des Kirchen- und
Schulwesens. Inventar 29. und 30. Lieferung.
Stuttgart, Paul Reff, 1904.
 
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