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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Weser, Rudolf: Zur Erklärung mittelalterlicher Kunstwerke: (Gmünder Kunst)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0012
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Stuten liegt. Nun hat natürlich auch der
„Kaiser" keinen Sinn mehr. Die Figur stellt
Christus mit der Erdkugel in der Hand
dar, in diesem Zusammenhang wohl den
obersten Lehrer der Welt und der Kirche
bedeutend.

An Hieronymus schließt sich an die
Statue des hl. Christophorus, der gern
am Aenßeren oder Eingang der Kirchen
oder auf neben der Kirche stehenden
Säulen abgebildet wurde und von dem
das Volk des frommen Glaubens war,
den der Vers ansdrückt: „Wer beit an-
sieht, dem selben Tags kein Leid geschieht."
Dem Heiligen war zudem eine schon vor
1377 „von pfaff Ärgenhas und dem
Gläser selig gestiftete" Kaplanei der
Heiligkreuzkirche geweiht (Zinsbrief des
Knnrat von Ninderbach, Bürger zu Au-
lnn, vom Freitag vor Georgi 1382 bei
der Kirchenpflege Gmünd).

„Franziskus und andere Mön-
che" folgen jetzt. Franziskus ist erkennbar
an den Wundmalen in seinen Händen.
Die zwei folgenden sind Dominikus
und Beruhardus. Die in Gmünd
längst bestehenden Franziskaner- und
Dominikanerklöster mögen ihre Wahl nahe-
gelegt haben. St. Bernhardns paßt sehr
gut an den Chor einer Heiligkrenzkirche.
Dasselbe ist der Fall mit der Darstellung
des Gnadenstnhles. Die Darstellung der
heiligen Dreikönige in Einzelbildern in
den Nischen dürfte nicht unbeeinflußt sein
von der alten Gmünder Tradition, wo-
nach die Reliquien der heiligen
Könige ans dem Wege von Mailand
nach Köln eine Nacht in den Mauern
Gmünds geruht haben.

Damit ist eine leichte und wohl be-
gründete Erklärung dieses Gmünder
Sknlptnrenwerks gegeben.

Auf derselben Seite .dcs Inventars
wird des feinen Bildwerks am großen
Südportal gedacht, wo in Reliefs die
Schöpfungsgeschichte dargestellt ist. Auch
hiebei unterläuft eine eigentümliche Er-
klärung, deren problematifcher Charakter
allerdings durch Fragezeichen zngestanden
ist. Eines dieser Bilder soll bedeuten:
„Der tote Kain (?) wird von Eva be-
trauert; daneben eine unverständliche
Szene. (Ein Engel bringt ans dem
Paradies der Eva einen undeutlichen

Gegenstand: das Kind Seth?)" Be-
kanntlich haben die mittelalterlichen
Sknlptoren auch gerne bei ihren Dar-
stellungen ihre Zuflucht zur Legende
genommen. Diese nun erzählt, daß Adam
einst zum Tod erkrankt sei. Die trauernde
Eva habe in ihrer Herzensnot ihren Sohn
Seth zum Paradiese gesandt um einen
Trank ans der Quelle des Paradieses,
der dem Adam wieder die Gesundheit
verleihen solle. Unser Bild stellt dar,
wie ein Engel unter der Paradiesespforte
ein becherartiges Gefäß mit dem Heil-
trank dem Seth übergibt, der es feinem
krank darniederliegenden Vater bringt,
um den sich Eva sorglich müht. Auf
dem dieser Skulptur vorhergehenden Bild,
wo Avant die Erde behackend und Eva
.am Spinnrocken sitzend dargestellt sind,
soll die Arbeit als Folge der Siinde ge-
zeigt werden, ans dem eben erklärten
Bild ist als weitere Folge der Sünde
Krankheit und Leiden gezeichnet.

Seile 384 des genannten Inventars
ist die Bemerkung zu lesen: „Z w e i
schöne Beicht st ü h l e in No ko ko formen,
die im Chor stehen, mögen ans Albrec
zurückgeführt werden." Es gehört wirk-
lich eine starke Portion von Phantasie
dazu, im Chor der Heiligkreuzkirche rechts
und links von den Altarstnfen in den
beiden Rückwandanfbanten sich Beicht-
stühle zu denken. Schon ein oberfläch-
licher Blick genügt, die Ungereimtheit
dieser Behauptung einzufehen; ein ganz
kleiner Einblick in den liturgischen Gottes-
dienst der Kirche lehrt, was die beiven
Rokokoschnitzereien bedeuten. Dieselben
sind, da sie einander gegenüberstehenv sich
an eine Säule anlehnen, ganz gleich ge-
arbeitete Rückwände, auf der Epistelseite
für die Sedilien bei Missa und
Vesper, auf der Evangelienseite für den
Kredenz tisch. Nischen ließen sich bei
diesem Chor nicht anbringen, deshalb
griff man zu diesent Ausweg. Auch die
schon geäußerte Ansicht, als könnten diese
Rückwände ans ehemaligeii Beichtstühlen
entstanden sein, läßt sich bei näherer Be-
trachtnng des Aufbaus absolut nicht fest-
h alten.

Bei der Angabe Seite 386, die große
gotische Monstranz sei mit N O
bezeichnet, wäre der Deutlichkeit halber
 
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