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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Weser, Rudolf: Zur Erklärung mittelalterlicher Kunstwerke: (Gmünder Kunst)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0014
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mantelbild gerade an dieser Stelle für
die Kirche, die häufig „Unsrer lieben
Frauen Munster" genannt wird, ange-
messen ist. Andererseits ist die Ver-
ehrung der hl. Notburga in Gmünd bis
in die neueste Zeit unbekannt. Das
könnte nicht der Fall sein, wenn man
das Bild je einmal für eine hl. Not-
burga gehalten hätte. Auch der Name
Notburga kommt in Gmünd nicht vor.
Ans diesen Gründen ist diese Deutung
Hartmanns abzuweisen, auf der er übri-
gens selbst nicht gerade bestehen will,
wenn er in den Anmerkungen Seite 143
sagt: „es kann aber ebensogut die Schntz-
mäntelmadonna sein." Meine Ansicht ist:
es kann nur die Schutzmantel-
madonna sein.

In der Aufzählung der sitzenden Fi-
guren an den Chorstrebepfeilern
ist ebenfalls ein kleiner Irrtum unter-
laufen. Hartmann zählt (S. 144) nach
St. Franziskus nur einen Mönch, wäh-
rend es deren zwei sind. Die Reihe heißt
nun: St. Elisabeth von Thüringen (neu),
Christus, Gregorius, Ambrosius, Augnsti-
nils, Hieronymus, Christophorns, Fran-
ziskus, Dominikus, Bernhardns, Gnaden-
stuhl (Dreifaltigkeit), die heiligeil Drei-
könige in drei Nischen, als Jünglilig,
Mann und Greis, Maria mit dem Kilide,
Joseph. Jli der Anmerkung Seite 144
setzt Hartmann die Namen Gregor, Am-
brosius, Augustin weliigstens mit Frage-
zeichen in Klanimern neben die Benennung
der drei Figuren mit Papst, Kardinal,
Bischof.

Auch mit der Beantwortung der von
Hartmalln Seite 42 gestellten Frage:
„Wie kommen diese hieher?" nämlich die
P r o p h e t e u , welche in der äußeren
Zone der Archivolten des Südportals
mit seiner Gerichtsdarstellung stehen, —
bin ich liicht ganz einverstanden. Und
ich möchte eine näherliegende und ein-
fachere Erklärung geben, als sie Hart-
mann versucht. Meilie Erklärung hat
auch das für sich, daß malt es nicht mehr
„auffällig" findet, „daß an einer
Kirche, die bem heiligen Kreuz ge-
weiht ist, das Weltgericht das Motiv
ist, in dem der Dekoralionsentwurf gipfelt
unb das er mit einem solchen Aufwand
von Mitteln inszeniert". Doch ich lnnß

auch das Folgende hier noch beisetzen
(Seite 42): „Daß ans ein prunkvolles
Marienportal verzichtet mürbe, ist be-
greiflich ; nicht so sehr aber, daß hier
gerade das Passionsportal so viel be-
scheidener gehalten ist, statt znln Haupt-
und Glanzstück des Ganzen erhoben zu
sein. Galiz abweisen wird sich der Ge-
danke liicht lassen, daß hier das Welt-
gericht deshalb vorgezogen worden ist, um
die glänzendste Leistung der älteren, bis
dahin iil Schwaben herrschenden Schule,
das Rottweiler Hanptportal zu über-
trumpfen, unb so die Ueberlegenheit eines
neuen Stiles in der Behandlung des-
selben Gegelistaudes vor aller Augen dar-
zlitnli." So weit Hartlnalin. Mit der in
beit letzten Worten ausgesprochenen An-
sicht, daß es den Meistern um die Ueber-
t r u ln p f n n g der ä l t e r e n S ch n l e zu
tun war, werden nicht viele Kenner des
Mittelalters eiliverstanden sein. Wenn
liian Besseres konnte, so zeigte lnan sein
besseres Könlieil auch im Mittelalter.
Aber daß dieser äußere Grund dafür
maßgebend war, hier ein Weltgericht an-
znbringen, das mögen liicht viele glauben.
Die lnittelalterlichen Künstler wußten
einen sehr guten inneren Grund, warum
sie an einer Heiligkrenzkirche das Welt-
gerichtsmotiv verwendeteli. Dieser Grund
steht in jedem katholischen Katechismus:
Das Weltgericht ist der Triumph
des Kreuzes Christi. Jene Künstler
glaubten und wußten, daß die Pro-
pheteli das Leidell und beit Kreuzes-
tod Christi vorhersagten, wie auch
das Gericht („Sie habeli meine Hände
unb meine Füße durchbohrt" Ps. 21, 17)'.
Jene Künstler kannten das Wort des
Herrn: „und dann wird das Zeichen
des M ens chen s o h n es (das Kreuz)
ani Hilillilel erscheinen" (Matth. 24, 30).
Darnnl haben sie die Darstellung des
Weltgerichts, uitb nicht die des Leidens
Christi, „zum Haupt- und Glanzstück des
Galizell erhoberr". Unseres Erachtens
ganz.mit Recht. Daher gehört zur Welt-
gerichtsdarstellung notweridig auch das
Kreuz. Es fiubet sich deshalb auch ans
allen mittelalterlichen Darstellungen des
Gerichts. Ich erinnere beispielsweise an
Fiesole, auf dessen Gerichtsdarstelluugeu
das Kreuz sogar eine augenfällige domi-
 
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