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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Schöninger, Artur: Ein Gang durch restaurierte Kirchen, [34]
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und großem Aufwand von damals üblicher
Gotik. Der Hochaltar war schon 1864
zusammengesetzt worden. Eine neue Orgel
mit Vorbau nahm einen guten Teil des
Chors mtb den ungestörten Einblick in
den Chor weg. Doch mag der Eindruck
des Ganzen den Gotikern der 60er und
70er Jahre wohl gefallen haben. War
ja doch, wie man meinte, das Ideal
einer mittelalterlichen Kirche hier erneuert.
Und doch, wie viel fehlte zum wahren
Ideal! Es war unverstandene Schreiner-
gotik und ebenso unverständige Nach-
ahmung gotischer Ornamentik in der Ma-
lerei, und ein geläuterter Geschmack konnte
sich unmöglich damit befreunden und zu-
friedengeben. Deshalb faßte der Pfarr-
herr zu Wald den Entschluß, eine neue,
gründliche mtb gediegene Renovation vor-
nehmen zu lassen, unb er wurde von der
Gemeinde treulich unterstützt. Ueber ztvei
Jahre dauerten die Gesamtarbeiten und
führten zu einem Ziel, das einzigartig
dasteht, das sowohl den Freund des Alten,
den Denkmalschutzbeflissenen, als den An-
hänger eines gesunden Fortschritts, der
auch für unsere Zeit etwas Originelles
nnb nicht bloß sklavische Nachahmung
fordert, wohl befriedigen dürfte. Es wird
keiner, der das alte Interieur der Kirche
gekannt, dasselbe zurückwünschen; es wird
jeder hocherstannt über das Neugeschaffene
sein. Begonnen wurde mit der Ernen-
erung der Fenster des Langhauses, wohl
weil sie am meisten defekt waren. Diese
Einleitung war in doppelter Beziehung
eine glückliche zu nennen. Es wurde da-
durch der Stiftersinn geweckt, der zumeist,
erfahrungsgemäß, bei Feusterstiftnngen
sich betätigt, und es wurde gleich etwas
geboten, was ahnen ließ, daß bei der
Gesamtrestauration der wahre Geist alter
Kunst wallen werde. Deshalb wurden
nicht die ganzen Fensterflächen mit Tafel-
bildern erfüllt, sondern die mit stilgerech-
ten Butzenscheiben erstellten nenn Fenster
durchzieht etwa in der Mitte ein gleich
hoher und gleich gestimmter und um-
rahmter Fries mit den 15 Geheimnissen
des Rosenkranzes, glücklich verteilt in der
Weise, daß manchmal zwei, nlanchmal
bloß eine Darstellung int Fenster erscheint.
Die Hofglasmalerei Franz Xaver Zeltler
in München hat mit seinem Verständnis

dem Stil und der Eigenart der Kirche
Rechnung getragen. Ein Vergleich der
neuen Fenster mit den früher eingesetzten
im Chor wird jedem Beschauer den Fort-
schritt zeigen, den die Glasmalerei seit
etwa 20 Jahren gemacht hat in Stil
und Technik. Dieser Anfang war ein
vielversprechender und glückverheißender.
Eine Hauptforderung wurde zugleich er-
füllt: der einheitliche Gedanke in einem
Zyklus zusammenhängender Darstellungen
in einheitlichem, stilgerechtem Nahmen.
An Helle hat die Kirche nichts verloren.

Das nächste war die Nenbemalung,
die Schiller und Ostermaier in Ravens-
burg übertragen wurde. Zunächst handelte
es sich dabei um behutsame Abnahme der
Tünchschichten, da man mit Recht ver-
muten konnte, es werde aus der Er-
bauuugszeit auch die ursprüngliche Be-
malung unter der Tünche späterer Zeiten
sich erhalten haben. Die Erwartung
wurde nicht getäuscht, aber auch nicht in
vollen! Maße erfüllt. Es fand sich an
den Wänden kein Bilderzyklus, wie ander-
wärts, wohl aber fanden sich hinter den
Seitenaltären Wandbilder, die freilich zum
Teil sehr beschädigt waren. Unter einem
der Bilder war der Eingang zu einer
Gruft. Es erscheint sonderbar, daß gerade
an diesen Abschlnßwänden der Seiten-
schiffe, wo nian allzeit Altäre voraussetzt,
Wandgemälde sich finden. Entweder sind
einfache Flügelaltäre in einem gewissen
Abstand von ihnen gestanden, oder die-
selben standen an den Längsseiten, was
man ja öfters antrifft (z. B. in Dinkels-
bühls. Fernerhin wurden keine figürlichen
Darstellungen aufgedeckt- dagegen kam
beim Abkratzen der Gewölberippen nnb
Felder die alte Ornamentik zutage. Die-
selbe zeigt den spätesten gotischen Stil:
ziemlich magere Verästelungen, Flammen,
geringe Pflanzenornamentik. Die Farben-
gebung ganz einfach. Es scheint, daß die
reiche Architektur schon von Anfang an
eine reichere Entfaltung der Ornamentik
beschränkte.

Die Maler wurden angehalten, den
Spuretl der Alten zu folget! und ihre
sonstige Eigenart hier etwas einzudämmen.
Datnit wurde erreicht, daß die Malerei
jetzt ganz dem Stil, der ursprünglichen
Art und namentlich der Architektur eut-
 
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