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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr. 5
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Pfeffer, Albert: Der Kirchenbau in Lautlingen, OA. Balingen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0056

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47

ungeahnte Möglichkeiten in sich schließen-
den Eisenbeton ein 10 m weit gespanntes,
nur 12 — 16 cm dickes Tonnengewölbe
herzustellen, das freikonstrniert auf den
Pfeilerarchitraven aufsitzt und ganz ge-
ringen Seitenschnb ailsübt. Darum genüg-
ten verhältnismäßig dünne (56X65 cm)
rechteckige Gewölbestützen mit vorgelegten
Halbsäulen an den Schmalseiten. Vermöge
ihres geringen Querschnitts und ihrer
dünnen schlanken Gestalt scheiden sie die
Nebenschiffe nicht vom Hauptschiff, lassen
erstere vielmehr als einen vollwertigen
Teil des Kircbenraums erscheinen, ohne
sie zu Nebenränmen oder bloßen Gängen
herabzuwerten. Die Raumwirkung des
Mittelschiffs ist eine bedeutende, nach dem
äußerlichen Eindruck nicht erwartete. Die
Nebenschiffe sind etwas niederer, flach nb-
gedeckt, mit großen runden Kassetten. Die
Wände sind durch die vorspringenden
Wandpfeiler und die zurücktretenden
Fenster reich gegliedert. Eine große
Sängerempore springt in weich geschwun-
genen Linien in das Schiff hinein; ihre
Brüstung ist in Kannelierungen aufgelöst
und ganz ans Weiß gestimmt. Die großen,
in der Mitte durch eine Zwischengurt
unterbrochenen Fenster lassen eine Flut
von Licht in die Kirche einströmen und
lassen die Kirche selbst an trüben Tagen
licht und freundlich erscheinen. Die dün-
nen Außenwände hemmen in keiner Weise
den Einfall des Lichtes. Trotzdem alle
Strukturteile nur eine relativ geringe
Stärke aufweisen, leidet das ästhetische
Gefühl in keiner Weise. Beachtenswert
ist auch die durch Vermeidung aller schar-
fen Ecken hervorgernfene Abrundung des
Grundrisses, die für die behagliche Wir-
kung des Kirchenraums neben der glück-
lichen Proportionierung wesentlich beiträgt.

Der Höhepunkt der Raumwirkung ist
dem Chor zugewendet. Es ist eine halb-
runde Apside mit Nippengewölbe und seit-
licheul Licht, annähernd so breit wie das
Mittelschiff und gegen dasselbe in einem
großen Bogen sich öffnend. Die Chor-
stufen wie die zum Hochaltar führenden
Treppen sind leicht geschwungen; dieser
geschwungenen Linie paßt sich die gediegene
Kommunionbank an. Der Chorraum fin-
det seinen würdigen Abschluß in einem
großen, bedeutsamen, dem Charakter als

Opferstätte gerecht werdenden Hochaltar
aus Stuckmarmor. Der freistehende
Sakramentsaltar, wie der sich der Run-
dung der Apside anschmiegende Retable-
altar sind auf große geschlossene Massen
mit feiner Abwägung der Proportionen
und Farbtöne abgestimmt, wogegen auf
Ornament fast ganz verzichtet ist. Der
Mittelpunkt des Retablealtars zwischen
grünen Stucksäulen ist ein edles, lebens-
großes, ausdrucksvolles Kruzifix ans dem
17. Jahrhundert, das bisher unbeachtet
ans der Kirchenbühne lag, darüber ist oie
Gestalt Gott Vaters mit adorierenden
Engeln angebracht. Zu Seiten des Ge-
kreuzigten sollen Maria und Johannes
als stehende plastische Figuren angebracht
werden. Während der rückwärtige Altar
ans satten vollen Farben aufgebaut ist,
ist der davor freistehende Sakraments-
altar auf einen lichten Goldton in Stnck-
marmor gestimmt; im Aufbau ist auch
dieser Teil ganz schlicht, dabei vornehm
und würdig; flankiert ist der Sakraments-
altar von zwei Stuckmarmorsänlen, auf
denen anbetende Engel knien, tüchtige
Arbeiten des Bildhauers Max S e i b o l d
in München. Der Tabernakel ist ans-
gebildet als diebes- und feuersicherer
Schrank mit vergoldeten Metalltüren.
Der Altaraufban ist ein liebenswürdiges,
im Charakter des Barock gehaltenes, doch
frei durchgeführtes Werk; sein Reiz liegt
in den schönen Proportionen und Massen,
aber auch in seiner technischeil Aus-
führung. Der verwendete Stnckmarmor
ist auf schöne tiefe Farben abgestimmt,
deren Leuchtkraft in Verbindung mit dem
Gold der plastischen Ftgllren eine ein-
heitliche milde Wirkllng ausübt. Die
übrige Innenausstattung ist beut Inventar
der alten Kirche entnourmen, so die Kanzel,
die Beichtstühle, der Kreuzweg und ein-
zelne Holzfiguren und Oelbilder. Es sind
nicht gerade feine und überragende, viel-
mehr Dnrchschnittsarbeiten der Rokokozeit,
die sich aber gut in das Milien der Kirche
eingefügt haben, während die neogotischen
und romanischen Mobiliarstücke ans den
70er Jahren sich nicht einpassen wollten
und darunr ausscheiden mußten. Hier
zeigt sich so recht der Unterschied zwischen
bodenständiger gewachsener Kunst und
unpersönlichen konstruierten Objekten, die
 
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