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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr. 6
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Baur, Ludwig: Friedhofanlage und Friedhofkunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0063

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großen Meister der Farbe, etwa ein
Ruysdael, ein Führich, ein Böcklin in
seiner Toteninsel und viele andere in ihre
Kirchhofdarstellnngen hineinlegten, nichts
von der eigenartig ergreisenden Stimmung,
welche unsere Dichter begeisterte, wenn sie
Kirchhof und Grab zu schildern unter-
nehmen. Ein unendliches Gefühl der Oede
und profaner stimmungsloser Nüchtern-
heit beherrscht den Dorf- und Stadtfried-
hof von heute. Der Gottesacker unserer
kleineren, mittleren und größeren Städte
pflegt eine gapz regelmäßige Anlage zu
sein mit absolut gerade linierten Wegen,
vielleicht noch die Hauptwege mit einigen
Bäumen besetzt, im übrigen sind Bäume
verboten. Die Umfassung ist gebildet
durch einen prosaischen Eisenzaun, oder
durch eine lebendige Hecke, oder gemischt,
— seltener durch eine Mauer. Die Be-
legung der Gräberfelder ist sehr eng:
Grab neben Grab, kaum 25—30 cm von
einander entfernt, ganz in der Schnur!
Kleinste Naumausmessungen neben höchster
wirtschaftlicher Ausnützung des Bodens:
das Grab darf kaum 2 m lang und
1 m breit fein. Vielfach — besonders
auf dem Lande — besteht auch die Sitte,
zum Zweck der denkbar höchsten Aus-
nützung des Bodens Sarg an Sarg
zu legen x).

Wie die architektonische und gärt-
nerische Seite des Friedhofs, so ist be-
sonders die Denkmälerfrage sehr im argen.
Die größten Feinde einer befriedigenden
Friedliofkunst sind hier Verflachung und
Verwilderung des Geschmacks, Verständ-
nislosigkeit gegenüber der b e s ch e i d e n sich
gebenden Schönheit, hohle Prunksucht
und endlich der alles gleich nrachende
Industrialismus unserer Zeit.

Die letzten 50 Jahre waren für die
Steinverkäuser golöene Zeit. Steinbrnch-
artig, wie Steinmetzmagazine nehmen sich
unsere Friedhöfe aus: Fabrikware, von
ödem Formalismus beherrscht, religiös oft
wenig befriedigend, ästhetisch zum Er-

i) In diesem Zusammenhang mag auch die
Bemerkung gestattet sein, mit der T u r n u swirt-
schaft auf den Gottesäckern, mit der Wiederbe-
legung derselben Gräber — vollends nach ver-
hältnismäßig kurzer Zeit, wo die größten Pie-
tätlosigkeiten die unvermeidliche Folge sind,
gründlich auszuräumen. Vgl. E. H ögg (Dürer-
Flugblatt Nr. 75.)

barnren — steht da breit umher „Polierte
und unpolierte Granite, fabrikmäßige
Kreuze, öder Formalismus, Steine, Steine,
nichts als Steine". . . . „Da machen
sich breit Riesensteine und Kreuze, die
gleichsain mit Trauerglanzpapier überzogen
sind, die schwarzen, polierten Kubusse und
Pyramiden, die der Münchener Volkswitz
„Stiefelwichsmonumente" genallnt hat,
uild die glanzpolierten Säulen und Cippen,
die, nur mit Dr. Grolmanns sarkastischem
Ausdruck zu reden, nichts anderes als
„steinerne Ofenrohre" sind. . . . Die
Fabrikware hat die Werke der Kunst und
des gediegenen Handwerks verdrängt.
Das Material ist die Hauptsache geworden,
die Form und der Geist Nebensache.
Was das Denkmal gekostet hat, will man
beweisen, und nicht, was es dem Geinüt
der Menschen gibt" Z. — Heute ist es
in der Tat so, daß denk wirklichen Künstler
der Zugang zum Friedhof so gut wie
verschlossen und nur mehr ansnahms-
weise geöffnet ist.

Dieselbe Misere wie beim Stadtfried-
hof ist beinl D o r f f r i e d h o s zu beklagen.
Was uns da und dort noch auf Dorf-
kirchhöfen erhalten ist an alten hölzernen,
schmiedeisernen oder auch steinernen Grab-
mälern der älteren Zeit, das läßt uns
ahnen, welch herrliche religiöse, ästhetische
Pietätswerte in unseren deutschen Dorf-
kirchhöfen enthalten waren; welch schlichte,
stimmungsvolle, heimatliche Kunst; eine
feierliche Ruhe und Harmonie. Die be-
scheidenen Denknläler hatten künstlerischen
Wert oder waren mindestens sehr ach-
tenswerte Leistungen des einheinkischen
Handwerks, und — sie hatten Heimat-
charakter. Aber wo sind unsere Dorf-
friedhöfe, in denen an die uralte Dors-
kirche Grab an Grab sich anschnriegte,
als wollten die Toten Zuflucht sucheil beim
Heiligtum, als wollten sie alle die bitten,
die da eintreteu, ihrer zu gedenken, als
wollten sie in unmittelbarem Kontakt mit
den Segnungen, Gebeten, Opfern, Sakra-
mentalien, Ablässen der Kirche bleiben und
unmittelbaren Anteil haben an dem eucha-
ristischen Opfer: im Schatten der Kirche,
im milden Glanz des ewigen Lichtes ruhten
sie, wie die Küchlein unter den Flügeln der

') E. Kühner, Mehr Sinn für die Stätte
unserer Toten. S. 32 f.
 
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