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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr. 11
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Warncke, Johannes: Mitteilungen über einige in Lübeck befindliche mittelalterliche Pilgerzeichen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0109

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100

an diese dem Glauben unserer Väter ent-
sprechende fromme Sitte noch zwei
öffentliche Denkmäler. Das eine ist der
bekannte Jerusalemsberg vor dem Burg-
tore, 1493 hergerichtet gemäß dem letzten
Willen des Ratsherrn Hinrich Constin
(gest. 1483), der in seinen jüngeren Jahren
eine Wallfahrt nach dem heiligen Lande
unternommen hatte. Als Erinnerung an
seine Pilgerfahrt wollte er den Leidens-
weg Christi vom Nichthause bis Golgatha
darstellen; an der Nordseite der Jakobi-
kirche beginnend, führte der Weg an meh-
reren Stationskreuzen vorbei hin zu den!
Schlußbild auf dein Jerusalemsberg ff.
Das andere Denkmal ist das allen be-
kannte Kreuz in der Roeckstraße. Der
Lübecker Bürger Johann von der Hepde
bestimmte 1436 in seinem Testament
über die Errichtung dieses Steiukreuzes
folgendes: „Jtein so wil ik, dat men
scal fetten en cruce van 10 marken uppe
de Wegescheydinghe, also me ghept to
der Wilsnacke, dar syk de Wysmarsche
wech anhevet"ff. Das Kreuz steht also an
der Stelle der früheren Weggabelung (Wes-
loe, Schlutup, Wismar, Ostseestädte —
Braudenbanm, Herrenburg, Schweriu,
Mark Brandenburg) und diente als Weg-
weiser für die vielen Pilger, die sich nach
dem besuchten Wallfahrtsort Wilsnack in der
Prignitz begaben. Die arg mitgenommene
Inschrift am Stannn des Kreuzes lautet
nach Or. Techen: „Biddet Gott vor den
ghever des wizers na der Wilsnaken"ff.
Der rechte Arm des Kreuzes enthält drei
in Dreieckforrn eingegrabene Löcher, die
in Zusammenhang gebracht werden mit
der Sage von dem Kteoerschußff, die aber
wahrscheinlich als Niellöcher für den
Melallzeiger gedient haben. In der Milte
des Kreuzes sieht man drei in Dreiecks-
sorin gestellte, mit Kreuzen geschmückte
Kreise; sie sind eine Wiedergabe des Wils-
nacker Pilgerzeichens, auf das ich weiter
nuten noch genauer eingehen werde.

Erst seit nicht gar langer Zeit beschäf.

0 Bergt. Lüb. Blätter 1001, S. 305.

2) Bergt, v. Melle a a. O. S. 125 und Hans.
Geschichtsbl., Bd. VIII, S. 81.

3) Zeitschrift d. Ber. s. Lüb. Gesch. u. Altertumsk.
Bd. 11, S. 2i5.

■ * 2 3 4) Bergt. Deecke, „Lüb. Geschichten u. Sagen".
3. Ausl. (Lübeck 1890) S. 190.

tigt sich die Wissenschaft mit diesen Zeichen
und versucht, sie richtig zu deuten. Sie
sind meistens ans Zinn oder Blei her-
gestellt, und zwar gegossen. Ihre häufigste
Gestalt ist rund oder giebelförmig. Die
letzteren, aber auch nicht selten die übrigen,
sind dem Stil ihrer Zeit, der Gotik, ent-
sprechend, mit Fialen und Krabben geziert.
Sie sind einseitig und durchgehend durch-
brochen gearbeitet. Wie noch heutzutage
bei Volksfesten, Schützenfesten usw. Er-
innerungszeichen an die Teilnehmer ver-
kauft werden, so wurden diese Zeichen an den
Wallfahrtsoiten von den Pilgern erworben.
Ihre reliefartigen Darstellungen beziehen
sich daher stets aus die Heiligtümer des
betreffenden Guadenortes. Sie sind fast
immer mit kleinen Oesen versehen — das
sicherste Erkennungszeichen für sie, da die
Pilger sie mit Zwirn an beu Hut oder
Mantel hefteten. So dienten sie als Aus-
weis dafür, daß man den betreffenden
Wallfahrtsort besucht habe. Manches
mittelalterliche Altarbild und mancher alte
Holzschnitt zeigt uns Pilger mit diesen
Zeichen geschmückt ff. In der Mehrzahl
tragen sie mehrere Zeichen, das erklärt
sich daraus, daß vielfach gleich zwei, drei oder
mehr Orte ausgesucht wurden. So bestimmt
z. B. Tideman v. Rentelen 1415 in seinem
Testament: „So wil ik, dat myne Vor-
rnundere myt den 10 Marken vtsenden
enen ynnigheu Man to Aken, to snnle
Euwoloe, vnde vort to unser leuen Vrouwen
ton Ensedelinghen, in euer Repsen to gande,
to Salichepd myner Selen" ff. Auch in
der zeitgenössischen Literatur finden diese
Pilgerzeichen Erwähnung. Jnl Jahre
1568 erschien von Ludekns eine Schrift:
„Historia von der Erfindung, Wunder-
werken und Zerstörung des vermeinten
heiligen Blutes zu Wilsnack" ff. Dieser
Ludekns hat in seiner Jugend wie auch
später noch die bis zum Jahre 1552 ge-
übten Wallfahrten nach Wilsnack initerlebt.
In der Vorrede seiner Schrift sagt er z. B.
solgendesff: „Wenn nun die Bilgrimen

! 0 Vergl. z. B. Th. Hampe, „Die fahrenden

Leute in der demschen Vergangenheit". Leipz. 1902.
Abb. 36, 43 u. 45; auch im Lübecker Museum
sind einige hieher gehörige Attartafeln enthalten.

2) v. Melle a. a. O. S. 60.

ff Bergt. E. Breest, „Das Wunderblut von Wils-
nack", Märkische Forschungen Bd. XVI, S. 133 ff.

i ff Mark. Forschungen Bd. XVI, S. 149.
 
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