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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 1
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Schäfer, ...: Ueberreste der romanischen Kirche in Unterbrändi und deren Geschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0014

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11

Beisein des Oberamtmanns Seeger zu
Dornhan zu der Zeit, wann jene Ge-
rätschaften übergeben werden, vor-
genommen.

Achtens soll beiderseits durch die An-
wälte beim Kaiserlichen Reichshofrat
von diesem Vergleich Anzeige getan und
allen jemals gemachten Forderungen und
Ansprüchen, auch allen darüber gestellten
und noch weiters vorgehabten Prozessen
renunziert werden."

Der Vertrag ist unterschrieben von
Oberamtmann Seeger von Dornhan
einerseits und Pfarrer Pracher, Schult-
heiß Bronner und den Richtern von
Leinstetten andererseits, und wurde am
23. Juli 1793 vom Bischöflichen Ordi-
nariat in Konstanz, am 6. August von der
Württembergischen Regierung ratifi-
ziert.

Das Mesnerhaus samt Scheuer und
einem dabeiliegenden Baum-, Gras-
und Gemüsegarten in Unterbrändi wurde
1797 bar verkauft um 750 fl. Die übri-
gen Mesnereigüter wurden wieder ein-
zeln verpachtet. Im Jahre 1815 das
Pfarrhaus von der Herrschaft gekauft
und zu einer Försterwohnung eingerich-
tet. Um wie viel ist nicht angegeben.

Im Jahre 1814 wurde die Kirche an
einen Bauern verkauft um sage 100 fl.,
ihr Turm abgebrochen und sie selbst —
wie es in einer Beschreibung des Ober-
amts Sulz mit Recht heißt —- auf eine
empörende Weise in ein Bauernhaus
umgewandelt. Dieselbe ist nunmehr der
ganzen Länge nach in zwei Stockwerke
eingebaut und bewohnen zwei Haus-
haltungen den oberen Stock; unten —
im Chor — befinden sich allerlei land-
wirtschaftliche Geräte; die Sakristei ist
ein kleiner Schuppen oder Raum für Heu
und Stroh, und im Schiff sind Stal-
lungen für Vieh, Schweine und Hühner,
so daß in der einst geweihten und heili-
gen Stätte „der Greuel der Verwüstung"
herrscht.

Ein Kleinod — als teures Andenken
an die einstige Wallfahrtskirche in
Unterbrändi — birgt noch die Pfarr-
kirche in Leinstetten, nämlich eine Sta-
tue zu Ehren der Muttergottes. Die
Madonna ist sitzend mit dem Jesuskind
auf dem rechten Arme dargestellt und hat j

nun ihren Platz in einer Nische des
Marienaltars.

In Kepplers kirchlichen Kunstalter-
tümern Württembergs wird diese Holz-
sknlptur der romanischen Stilperiode zu-
geschrieben, während neuerdings ein
Kunstverständiger aus St. auf Grund
einer photographischen Abbildung sie
ins 15. Jahrhundert versetzt. Was
richtig sein mag, ist nicht so leicht
zu entscheiden. Die starre Haltung der
Figur, welcher jeglicher Schwung fehlt,
der kurze Oberkörper, vielleicht auch die
schlichte und gar zu steife Gewandung
berechtigen mehr zu ersterer Datierung;
dagegen die ovale Kopfbildung, der
lächelnde, fröhliche Ausdruck des jugend-
lichen Gesichts, umrahmt von Locken,
wie die zarten Hände sprechen mehr für
die gotische Stilzeit. Zwar ist diese
Marienstatue wie die meisten Gnaden-
bilder an Wallfahrtsorten kein Kunst-
werk oder Jdealgestalt, weder im roma-
nischen noch gotischen Stil, aber wertvoll,
ja verehrungswürdig erscheint sie schon
seit Jahrhunderten an dem einstigen
Gnadenorte, und offenbar galten dersel-
ben als Gnadenbild auch die vielen
obenerwähnten Prozessionen der näheren
und entfernteren Umgebung.

Wie ehedem, so wird auch jetzt noch
diese Marienstatue an ihrem gegenwär-
tigen Standorte hoch in Ehren gehalten.

Ein deutlicher Beweis hiefür ist die
feierliche Prozession, welche jedjährlich
am Feste Mariä Geburt zur Erinnerung
an die Uebertragung des Gnadenbildes
von Unterbrändi nach Leinstetten statt-
findet. Diese Prozession, wobei nicht nur
das Allerheiligste, sondern auch die be-
sagte Marienstatue, und zwar von weiß-
gekleideten Jungfrauen mitgetragen
wird, bewegt sich von der Pfarrkirche
durch den Ort und lenkt dann auf die
Straße nach Unterbrändi ein bis zu
einem Triumphbogen, von wo sie wieder
auf dem gleichen Wege in das Gotteshaus
zurückkehrt. Aber nicht nur am genann-
ten Feste, sondern das ganze Jahr hin-
durch, besonders an Samstagen, ist das
Gnadenbild der Gegenstand der Ver-
ehrung, indem da gerade die Pfarr-
angehörigen zahlreicher als an den übri-
 
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