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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 2
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Roth, ...: Die hl. Cäcilia von Rafael
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0034

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31 —

sagt haben: die Instrumente sind immer- ,
hin etwas materiell, als richtiger Gegen- j
satz zur unteren sinnlichen Hochzeits- !
musik, und weil ja Cacilia auch nur!
singt, Paßt am besten die geistigste und i
reinste Art der Musik, der Gesang. Auch
in der Kirche ist das Ideal Vokalmusik:
Choral ohne Begleitung und mehrstim-
miger Gesang a capella, nach Art der
päpstlichen Kapelle, a la Palestrina. Die-
ser „prinoeps musicae", dieser „Fürst
der Musik", der im Petersdom zu Rom
begraben liegt, gebraucht in seinen sehr j
zahlreichen Kompositionen niemals einen -
selbständig auftretenden Vierklang, nur
durchgehend und als Vorhalt benützt er j
ihn. Palestrina wählt nur den Drei-
klang. Der Dreiklang ist das Bild des
dreieinigen Gottes, die große Terz im
Dreiklang sinnbildet Christus in der
Freude, die kleine Terz Christus in der
Passion. Diese reine Dreiklangsmusik,
wie sie der Vokalstil besonders liebt, gibt
bei Palestrina ein solch lichtvolles, himm-
lisches Weben, Klingen und Singen, solch
keusche Melodien, daß Papst Pius IV.
beim Anhören der sechsstimmigen, be-
rühmten Missa in honorem P.apae
Marcelli ausrief: „Das sind die Klänge,
die der hl. Johannes in der geheimen
Offenbarung im Himmel hörte, und die
uns ein anderer Johannes (Giovanni da
Palestrina) auf Erden nachgesungen hat."
In der weltlichen Musik feiert der Vier-
klang mehr feine Triumphe. Der Vier-
klang ist aber ein Bild der menschlichen
Unruhe und Unbeständigkeit, er ist un-
ruhig, bis er sich auflöst in den Drei-
klang, bis er im Dreiklang ruht. In-
dessen wählen auch die weltlichen Musi-
ker an besonders mysteriösen Stellen
(z. B. Richard Wagner im Parsifal) den
Dreiklang.

So nun aufgefaßt, ist das Bild: die
hl. Cäcilia von Rafael, einheitlich in
allen seinen Teilen.

Soll man auf die bestimmte Frage:
Was stellt also das Bild dar? kurz ant-
worten, so wäre zu sagen: Cäcilia singt
am Abend ihres Hochzeitstages das Lied
der Reinen.

Diese Erklärung stimmt auch iiberein
mit der Legende, den Martyrakten, und,
dem Brevier: „Cantantibus organis j

(unter den Klängen der rauschenden j

Hochzeitsmusik) Cäcilia virgo in corde
suo soli Deo decantebat dicens: fiat
domine cor ine um et corpus meum
immaculatum, ut non confundar.
Cilicio Caecilia membra domabat,
Deum gemitibus exorabat.“

So ist eine positive, konkrete, philo-
sophisch und namentlich theologisch sehr
interessante, dem 16. Jahrhundert geläu-
fige Idee zur Darstellung gebracht. Ra-
fael ist Maler der Jungfräulichkeit. Die
Reinheitsidee war sehr passend, an-
sprechend und praktisch gerade für ein
Altarbild, dieses Altarbild hat jeden
Beter in jeder Stimmung und inner-
lichen Verfassung lieblich und tröstend
und erhebend angesprochen. In manchen
Anliegen und in mancher Not mögen
fromme Beter und Beterinnen zu diesem
entzückend schönen, hl. Bilde vertrauens-
voll aufgeschaut haben.

Auch im Kanon der hl. Messe (nach der
hl. Wandlung) und in der Allerheiligen-
litanei ist Cäcilia als virgo, als Jung-
frau angerufen, neben und gleich nach
der hl. Jungfrau Agnes.

Der frommen Bologneferin und dem
Kardinal Lorenzo Pucci, welche das Bild
von Rafael wünschten, lag der Wunsch,
die Reinheitsidee oder Unschuldsidee
dargestellt zu sehen, gewiß sehr nahe.

Ist Cäcilia auf diesem Bilde als
Sängerin, als Patronin würdiger Mu-
sik dargestellt, obwohl sie Instrumente
zertritt, wegwirft? Ja. Ist das aber
kein Widerspruch: sie zertritt Instru-
mente, wirft sie weg und soll doch als
Patronin der Musik — natürlich der
irdischen, denn die himmlische braucht ja
keine Patronin mehr —- dargestellt sein?
Es ist das kein Widerspruch, denn sie zer-
tritt, wirft weg nur die Hochzeitsinstru-
mente. Sie selber fingt, und dieser ihr
Gesang hat einen ganz bestimmten sc-
halt: „fiat cor meum et corpus meum
immaculatum, ut non confundar!"
Dadurch ist sie mit Recht Patronin aller
edlen Musik auf Erden, besonders der
musica sacra, der musica divina in
der Kirche, Patronin der Kirchenmusik
geworden. In ihrer Exstase hat Cäcilia
eine himmlische Erscheinung, und sie
fingt und hört jenes Lied, das nach der
geheimen Offenbarung des hl. Johau-
 
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