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Mit feinem alten, stolzen Schloß,
Mit seiner Kirche schön nnd groß.
Nicht fern ans Berges Höhen
Ist noch ein Schatz zn sehen,
Der köstlicher als Edelstein,
Und ladet znm Beschanen ein." ch
Und was noch mehr das Staunen
des Wanderers hervorruft und das
Interesse des Kunstfreunds steigert, ist
die Beobachtung, daß sämtliche drei kirch-
liche Bauwerke nebst der in kümmerlichen
Resten bis zum Anfang des letzten
Jahrhunderts (1829) noch erhaltenen
Schloßkapelle einer einzigen Stil-
g a t t u n g angehören, der Renaissance
mit ihren drei Ausläufern: Barock, Ro-
koko und Empire. Durch drei Stilphasen
der Nachrenaissance vom italienischen
über den französischen zur deutschen bezw.
oberschwäbischen Gestaltung des B a -
t'oef führt ein kunsthistorisch orientierter
Gang durch die drei jiingst restaurierten
Kirchen Ummendorfs. Jedes dieser drei
Monumente kirchlicher Baukunst doku-
mentiert in seiner Art, was als Ergebnis
langen Kampfes für moderne Kunst-
forschung und kirchliches Kunstschaffen
der jüngsten Gegenwart wieder Gemein-
gut katholischer Ueberzeugung geworden
ist: es gibt und darf nicht nur einen ein-
zigen „kirchlichen" Baustil geben. Die
Gotik ist so wenig inte die romanische
Bauweise der einzige kirchlich berechtigte
Stil; auch Barock und Rokoko haben wie
Renaissance und Klassizismus ihren
rechtmäßigen Platz in der ehrwürdigen
Ahnengalerie des katholischen Gottes-
hauses. Was die Renaissance erstrebt,
vollendet das Barock; diesem Streben der
die Gotik ablösenden Jahrhunderte ver-
danken wir die weiträumigen, lichtdurch-
fluteten Hallen, die durch neue Mittel
der RaumgestalUmg auf das Gemüt ein-
wirken, es zur Andacht zu stimmen ver-
mögen. Gerade Oberschwaben hat mit
seinen Klosterbauten im 17. und 18.
Jahrhundert eine Fülle solcher Monu-
mente hervorgebracht, die ein unver-
gängliches Ruhmesblatt der neuen Kunst-
weise geschaffen, in steigendem Maß Be-
9 -Ans einem Gedicht auf Ummendorfs
Kreuzberg von f Pfarrer Rupf-Mittel-
biberach, siehe Lourdespilger-Kalender 1915,
S. 48,
! wunderung, Verständnis und Nach-
ahmung finden. Seit Kornelius Gurlitt
der Anerkennung des barocken Kirchen-
baus die Bahn gebrochen hat in dem
Hauptwerk: „Geschichte des Barock und
Rokoko" *), sind auch in unserem Land,
wo die Gotikmanie jahrzehntelang nicht
die kleinsten Triumphe gefeiert und
große Opfer gefordert hat, der Nach-
renaissance und ihren Kindern Ehren-
retter erstanden. Der jetzige Bischof der
Diözese Rottenburg, Paul Wilhelm
v. K e p p l e r, hat in mehreren seiner ge-
sammelten Aufsätze 2) sich gegen die bis-
her in Theorie und Praxis geltende
Vorherrschaft der Neugotik und die Ver-
urteilung des Barock als Kirchenstil er-
hoben und der Wiederbelebung des
oberschwäbischen Klosterstils das Wort
geredet, ebenso mannhaft als beredt,
und Berthold Pfeiffer vertritt als
Hanptmitarbeiter an der staatlichen
Publikation der Kunst- und Altertums-
denkmale des Königreichs Württemberg
schon lange den barockfreundlichen
Standpunkt ch. Wohl begegnet uns in
dem unerschöpflichen Reichtum der neuen
Kunstweise auch im Schwabenland manch
hohles Blendwerk, ausdringliches Pa-
thos, leere Phantasiegebilde; aber durch
all die blendende Fülle künstlerischer
Schaffenskraft dringt immer- wieder ein
Lichtstrahl aus den reinen Höhen. Vom
großen Erbe der italienischen Hoch-
renaissance haben die Epigonen in wel-
schen und deutschen Landen echten Ge-
haltes viel überkommen und freudig
übernommen. Und wenn man die
„welsche Bauweise" als fremdländisch zu
schelten versucht sein sollte, darf man
nicht mehr übersehen, was eindringendste
Forschung, liebevollstes Eingehen in all
die Unarten und Eigenarten des ein-
gewanderten Südlandssohnes zu Tage
gefördert hat; mehr als einen echt
deutschen Charakterzug hat er an-
genommen auf seinen Wanderungen
si Stuttgart 1889.
9 Wanderungen durch Württ. Kloster-
bauten. Aus Kunst und Leben II, S. 111 ff.
9 Barock, Rokoko und Louis XVI. aus
Schwaben und der Schweiz. Einleitung des
Jnventarbands Donaukreis, erweitert aus
Beilage zum „Staatsanzeiger" 1886.
Mit feinem alten, stolzen Schloß,
Mit seiner Kirche schön nnd groß.
Nicht fern ans Berges Höhen
Ist noch ein Schatz zn sehen,
Der köstlicher als Edelstein,
Und ladet znm Beschanen ein." ch
Und was noch mehr das Staunen
des Wanderers hervorruft und das
Interesse des Kunstfreunds steigert, ist
die Beobachtung, daß sämtliche drei kirch-
liche Bauwerke nebst der in kümmerlichen
Resten bis zum Anfang des letzten
Jahrhunderts (1829) noch erhaltenen
Schloßkapelle einer einzigen Stil-
g a t t u n g angehören, der Renaissance
mit ihren drei Ausläufern: Barock, Ro-
koko und Empire. Durch drei Stilphasen
der Nachrenaissance vom italienischen
über den französischen zur deutschen bezw.
oberschwäbischen Gestaltung des B a -
t'oef führt ein kunsthistorisch orientierter
Gang durch die drei jiingst restaurierten
Kirchen Ummendorfs. Jedes dieser drei
Monumente kirchlicher Baukunst doku-
mentiert in seiner Art, was als Ergebnis
langen Kampfes für moderne Kunst-
forschung und kirchliches Kunstschaffen
der jüngsten Gegenwart wieder Gemein-
gut katholischer Ueberzeugung geworden
ist: es gibt und darf nicht nur einen ein-
zigen „kirchlichen" Baustil geben. Die
Gotik ist so wenig inte die romanische
Bauweise der einzige kirchlich berechtigte
Stil; auch Barock und Rokoko haben wie
Renaissance und Klassizismus ihren
rechtmäßigen Platz in der ehrwürdigen
Ahnengalerie des katholischen Gottes-
hauses. Was die Renaissance erstrebt,
vollendet das Barock; diesem Streben der
die Gotik ablösenden Jahrhunderte ver-
danken wir die weiträumigen, lichtdurch-
fluteten Hallen, die durch neue Mittel
der RaumgestalUmg auf das Gemüt ein-
wirken, es zur Andacht zu stimmen ver-
mögen. Gerade Oberschwaben hat mit
seinen Klosterbauten im 17. und 18.
Jahrhundert eine Fülle solcher Monu-
mente hervorgebracht, die ein unver-
gängliches Ruhmesblatt der neuen Kunst-
weise geschaffen, in steigendem Maß Be-
9 -Ans einem Gedicht auf Ummendorfs
Kreuzberg von f Pfarrer Rupf-Mittel-
biberach, siehe Lourdespilger-Kalender 1915,
S. 48,
! wunderung, Verständnis und Nach-
ahmung finden. Seit Kornelius Gurlitt
der Anerkennung des barocken Kirchen-
baus die Bahn gebrochen hat in dem
Hauptwerk: „Geschichte des Barock und
Rokoko" *), sind auch in unserem Land,
wo die Gotikmanie jahrzehntelang nicht
die kleinsten Triumphe gefeiert und
große Opfer gefordert hat, der Nach-
renaissance und ihren Kindern Ehren-
retter erstanden. Der jetzige Bischof der
Diözese Rottenburg, Paul Wilhelm
v. K e p p l e r, hat in mehreren seiner ge-
sammelten Aufsätze 2) sich gegen die bis-
her in Theorie und Praxis geltende
Vorherrschaft der Neugotik und die Ver-
urteilung des Barock als Kirchenstil er-
hoben und der Wiederbelebung des
oberschwäbischen Klosterstils das Wort
geredet, ebenso mannhaft als beredt,
und Berthold Pfeiffer vertritt als
Hanptmitarbeiter an der staatlichen
Publikation der Kunst- und Altertums-
denkmale des Königreichs Württemberg
schon lange den barockfreundlichen
Standpunkt ch. Wohl begegnet uns in
dem unerschöpflichen Reichtum der neuen
Kunstweise auch im Schwabenland manch
hohles Blendwerk, ausdringliches Pa-
thos, leere Phantasiegebilde; aber durch
all die blendende Fülle künstlerischer
Schaffenskraft dringt immer- wieder ein
Lichtstrahl aus den reinen Höhen. Vom
großen Erbe der italienischen Hoch-
renaissance haben die Epigonen in wel-
schen und deutschen Landen echten Ge-
haltes viel überkommen und freudig
übernommen. Und wenn man die
„welsche Bauweise" als fremdländisch zu
schelten versucht sein sollte, darf man
nicht mehr übersehen, was eindringendste
Forschung, liebevollstes Eingehen in all
die Unarten und Eigenarten des ein-
gewanderten Südlandssohnes zu Tage
gefördert hat; mehr als einen echt
deutschen Charakterzug hat er an-
genommen auf seinen Wanderungen
si Stuttgart 1889.
9 Wanderungen durch Württ. Kloster-
bauten. Aus Kunst und Leben II, S. 111 ff.
9 Barock, Rokoko und Louis XVI. aus
Schwaben und der Schweiz. Einleitung des
Jnventarbands Donaukreis, erweitert aus
Beilage zum „Staatsanzeiger" 1886.