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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 35.1917

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Nr. 4
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Weser, Rudolf: Die Freskomaler Anton und Joh. Baptist Enderle von Söflingen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21062#0107
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101

unter Dach kam. Wohl schon im näch-
sten Jahr begann der Stukkator An-
dreas Lecket von Mindelheiiu die rei-
zenden Stückarbeiten, die er 1777 ganz
vollendete. Schon am 29..August 1776
begann Enderle, seine Fresken zu ma-
len, die er 1778 vollendete. Jrn Mai
1779 kam Enderle wieder nach Obern-
dorf, um den Kreluzgang ausznmalen.
Die Arbeit nahm die Zeit von 17. Mai
bis 0. August in Anspruch. Darauf malte
er noch einige Bilder in die Sakristei.
Für die Fresken in der Kirche erhielt
Enderle freie Kost und Wohnung im
Kloster und 800 Gulden, während der
Stukkator Hecket 1800 Gulden 'erhielt.
Ein Kunstverständiger soll in neuerer
Zeit den Wert der Fresken Enderles
mit 40 000 M. bewertet haben. Auch
dieses Werk unseres Künstlers litt bald
unter der Ungunst der Zeiten und Zeit-
Verhältnisse. Das Kloster wurde säku-
larisiert und zu einer Gewehrsabrik um-
gebaut. Die 51 Ordensheiligen wurden
übertüncht und schlafen heute noch un-
ter ihrer barbarischen Decke. Nur r,in
Teil der Kirche diente als evangelische
Kirche. Neuerdings werden in den
Räumlichkeiten wiederum bauliche Ver-
änderungen vorgenommen. Die Mau-
sersche Gewehrsabrik hat mit einigen
anderen Kräften dm Erhaltung der Fres-
ken beschlossen und jüngst Photogra-
phien nnb sogar eine Farbenzeichnung
von einen: Fresko anfertigen lassen. So
ist immerhin zu hoffen, daß das schöne
Werk vor dem gänzlichen Untergang
bewahrt wird und noch auf lange Zeit
als ein Beweis der hochkünstlerischen !
Befähigung Enderles verhalten wird. j
Faxit Dens!

Und nun Zur Beschreibung der Bilder!

Die drei Hauptfresken behandeln das
Thema der Erlösung in ausgezeich-
neter, großartiger Weise. Dieses Haupt-
thema wird in den drei großen Etappen:

R a t s ch l u ß der E r l ö s it n g im
Schpße der Dreifaltigkeit, B e g t n n
oder Vorbereitung der Erlö-
s u n g in Bethlehem und Vollen-
dung der Erlösung aus Golgatha
abgehandelt.

Das erste Bild ist das Chorfresko,
das von allen am schlechtesten erhalten
ist. Die in diesem Teil des jetzigen Ge-

wehrmagazins befindliche schlecht funk-
tionierende Heizung mit den sich erge-
benden Tempemturschwankungen ist
daran schuldig. Zwar sind die Umrisse
des Bildes lückenlos erhalten. Aber die
Farben, besonders in den zarteren Tö-
nen, sind stark verblaßt. Ein begeister-
ter Künstler, Maler und Bildhauer
Klink aus Horb, schreibt uns darüber:
„Es ist jammerschade um das schöne
Bild, das schon durch seinen ungewöhn-
lichen Inhalt es verdienen würde, wei-
terbestehen zu dürfen. Aber auch dir
Ausführung zeigt in der Komposition
und in den Einzelheiten den tüchtigen
Künstler. Tie Zeichnung ist vortreff-
lich."

a) Der Ratschluß d c r Erlö -
s u n g: Rechts unten aus dem Bilde ist
der Sündensall dargestellt, links die
Austreibung aus dem Paradies. Mit-
ten im Vordergründe kauern die herr-
lichen Gestalten der Stammeltern, voll
Sehnsucht und Erwartung aufschamend
zum Himmel. Klink schreibt: „Ich

habe die beiden ersten Menschen kaum
einmal schöner und ergreifender darge-
stellt gefunden." lieber diesen Gruppen
ist der Himmel geöffnet. Da thronen
Gott Vater und der Heilige Geist, beide
in menschlicher Gestalt mit wallenden
weißen Bärten, der Heilige Geist mit
mächtigen Flügeln ausgezeichnet. Ihnen
gegenüber steht die zweite Person der
Gottheit, eine schöne Mann es gestalt. Er-
schaut git Gott Vater hin und weist aus
seine Brust hin, aus der die Flamnren
der Liebe hervorbrechen: von seinem
Munde aus ist das Schristwort geschrie-
ben: 6660, ego, mitte me! (Jsaias 6, 8.)
Ein Strahl der arrs seiner Brust her-
vorquellenden Flammen geht schräg links
hinunter zu einer prächtigen Engels-
gruppe, die als Zeichen der Erlösungs-
tat ein großes Kreiuz hält. Andere En-
gel halten die anderen Leidenswerkzeuge.
So stellt das Bild dar, wie Jesus sich
seinem himmlischen Vater und dem Hei-
ligen Geiste, die nach dem Propheten
das Wort sprechen: quis ibit nobis?,
anbietet, das Werk der Erlösung mit
allen seinen Leiden aus Liebe zu der
gefallenen Menschheit aus sich zu neh-
men.

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