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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 35.1917

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Nr. 4
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Weser, Rudolf: Die Freskomaler Anton und Joh. Baptist Enderle von Söflingen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21062#0110
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— 104

Ehren des hl. Dionysius Areopagita.
Der Philosoph Dionysius erlebt er-
schauernd die Verfinsterung der Sonne
-am Karfreitag und ruft aus': Entweder
leidet Gott oder die Welt geht unter.
In schattenhafter Gestaltung hat Enderle
auf diesem Fresko vor dem Philosophen
die Kreuzigungsszene 1766 gemalt. Die
drei Kreuze, die Muttergottes und einige
andere Gestalten sind schon genau so
gruppiert wie auf dem Oberndorfer
Fresko. Im gleichen Jahre, 1766 führte
Enderle dieses Bild weiter und tiefer
aus in der Filialkapelle Oberramm sin-
gen. Hier fügt -er die Gruppen des
Longinus mit feinen Soldaten -und die
würfelnden Schergen hinzu und staffiert
das Bild ans zu 'einer prächtigen Kom-
position. Mit einer wahren Fülle von
Leben aber tritt das Werk uns in Obern-
dorf entgegen. Es ist wohl das ergrei-
fendste, der Oberndorfer Fresken und
künstlerisch das bedeutendste und wurde
als letztes Deckcnbild wohl 1778 gemalt.
Das Bild ist 10 Meter breit und 5,6 Me-
ter hoch. Einige, zum Glück nicht wich-
tige Teile des Bildes und eine Anzahl
von Nissen sind zwar einmal von einer
ungeeigneten Kraft ergänzt worden, was
etwas unangenehm sich bemerkt ich macht.
Aber im großen und ganzen ist das Bild
wohlerhalten und zeugt heute noch von
dein hohen Kompositionsvermögen wie
von der originellen Farbenzusammen-
stellung Enderles. Letztere wirkt fest-
lich und lebhaft, obgleich die Farben nur
in verhältnismäßig zarten Tönen ver-
wendet sind. Klink sagt: „Es spricht
eine riesige Erfahrung und ein feiner
Farbensinn aus diesen geistreichen Zu-
sammenstellungen von hellsten Mischun-
gen alus Kobalt oder Ultramarin neben
zartem, ins Violette spielendem Rosa,
lichtem Grün und Gelb, daneben wie-
der alle Töne aus Braun und Grau,
von den zarten Fleischtönen mit ihren
bläulichen und rötlichen Schatten ganz
zu schweigen. Und erst der Körper des
Heilandes! Wie wirkungsvoll wird hier
der elfenbeinerne und bläulich-grünlich
schillernde Leib von dem mächtigen
weißen Lendentuch unterbrochen, wie
ergreifend wirkt daneben das fast leuch-
tende Rot b'G*r Wundmale. Die beiden
Schächer, der zur Rechten mit bleicher

Hautfarbe und bläulichem Tuch mit
gelblichweißen Umschlägen, der lind:
mit starkgebräunte,r Haut und grün-
lichem Tuch, sind zum Heiland in wir-
kungsvollen Gegensatz gestellt. Die
ganze Schönheit des Enderleschen Kolo-
rits wird einem klar, wenn man damit
die abscheuliche Färbung des „ergänz-
ten" Kerls auf der Leiter (mit der
Keckle) vergleicht, dessen gebrannte
Siena neben ungemischtem Ultramarin
das Auge unwillkürlich auf sich zieht,
wie ein riesiger Tintenfleck auf einem
Tischtuch."

c) Doch. — gehen wir über zur Be-
schreibung des Bildes. Es stellt die
Vollendung der Erlösung auf
Golgatha dar. Drei große, lebhaft wir-
kende dramatische, Szenen sind zu unter-
scheiden, so innig sie auch >untereinander
verblinden sind. Auf dein trefflich ge-
zeichneten Hügelplateau erheben sich drei
Kreuze, in der Mitte, perspektivisch die
beiden anderen überragend, das Kreuz
Christi mit einem wunderbar schönen
Corpus und hoch anfgebauschtem Len-
dentuch. Christus ist dargestellt im
Augenblick des Todes, sein Haupt istaluf
den linken Arm hingesunken. Seine letz-
ten Blicke scheinen noch die Mutter zu
treffen, die mit zum Sohn erhobenen
Augen nnb weit von sich ausgestreckten
Händen in unnennbarem Schmerz auf-
gelöst unter dem Kreuze steht. Ausge-
zeichnet schön ist das Antlitz, wundervoll
dir Draperie der Gewandung,. Hinter
dem Kreuz vor schaut Johannes hände-
ringend zum großen Sterbenden em-
por, während Magdalena ganz zur Erde
am Fuß des Kreuzes niedergebeugt die
verschlungenen Hände auf dem Felsen
auflegt. Im Hintergründe sind einige
Frauengestalten zart und fein wie hin-
gehaucht. Rechts von Christus hängt der
rechte Schächer am Kreuze, hoffend zu
Jesus hinüberblickend. Hinter dein
Kreuz nimmt eben ein Soldat die Lei-
ter von dem Schächerkreuze weg und im
Hintergrund sind feingezeichnete Grup-
pen von Frauen und Zuschauern. Eine
eigenartige Wirkung erzielt Enderle mit
dem linken Schächerkreuz. Hier schaut
die. Rückseite dieses Kreuzes zur Szene
und vom gekreuzigten Schächer ist bloß
die Rückenpartie sichtbar, da nur seine
 
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