Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 35.1917

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Weser, Rudolf: Die Freskomaler Anton und Joh. Baptist Enderle von Söflingen, [4]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21062#0111
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rechte hinter seinem Rücken ans die
Vorderseite seines Kreuzes genagelt ist.
Roch lehnt die Leiter daran, aus der ein
Mann halb steht, halb kniet, der mit
einer Keule wuchtige Schläge auf die
Nägel führt, die den linken Schächer
sesthaften. Zwischen Kreuz und Leiter
sehen wir wieder eine Unzahl boit Hin-
tergrnndgesichtern hervorschauen. Dies
sind die Gestalten des Mittel- und Hin-
tergrundes. Links und rechts im Vor-
dergründe sind noch zwei überaus leben-
dige Szenen. Links wendet sich der
Hanptmann und sein Begleiter mit sei-
nen Feldzeichen, hoch zu Pferde, rück-
wärts angesichts der Naturereignisse
beim Tode Jesu, während zwei andere
Soldaten huldigend und anbetend auf
die Knie finken und ein dritter, die j
Lanze über den Rücken haltend, in
Schrecken davonflieht. Wie links, so ist
auch rechts die Szene der Soldaten, die
sich nur die Kleider Jesu bemühen, j
äußerst fein zusammengestellt. Zuvor- |
der st kauert einer malerisch am Boden
und läßt den ungenähten Rock prüfend
durch feine Hände gehen. Ein zweiter
wirft die Würfel, ein dritter schaut ge-
mütlich zu, während vier andere ihre
Blicke der Hauptszene zuwenden. Der
Gegensatz zwischen diesem Leben, das
noch gesteigert wird durch die wirbelnde
Wolkenbewegung, und der unendlichen
Ruhe, die sich über den sterbenden Er-
löser ausbreitet, könnte nicht schärfer
und schneidender zum Ausdruck kommen.
In den Hauptpersonen, bis in die Reihen
der Soldateska hinein hat sich schon das
Wort erfüllt, das sich am unteren Rand
des Bildes hinzieht: Ego, si exaltatus
fuero a terra, omnia traharn ad me-
ipsnm. Joan. 12, 32. Ausgezeichnet
hat Enderle auf diesem Bilde die Wir-
kungen virtuoser Perspektive und küh-
ner kleberschneidungen (siehe besonders
den Körper des linken Schächers am
Kreuz) verwertet.

Auch dieses Hauptbild ist von vier
Kartuschenbildern umgeben, welche von
den Vorbildern des Kreuzes-
todes Jesu erzählen. An denselben
sind leider einzelne Stellen beschädigt
und in schlecht getroffenen grellen Tö-
nen „arls gebessert". Die Vorbilder sind:

1. Joseph von seinen Brüdern

als Sklave verkauft mit dem
Zitat bleu. 37, 28 („Sie verkauften ihn
an die Jsmaeliten lim zwanzig Silber-
linge: dies,2 führten ihn nach Aegypten").
2. A b r a h a m f ü h r t I s a a k z u r
Opferung mit dem Zitat Gen. 22, 8
(„Abraham sagte: Gott wird schon für
ein Schlachtopfer sorgen, mein Sohn").
Es ist der Moment der Frage Isaaks
gegeben: Hier ist Holz nnd Feuer, wo
aber ist das Schlachtopfer? 3. Job
von seinem Weib verspottet
mit dem Zitat Hiob 2, 9 („Es sprach
aber zu ihm Hin Weib: Verbleibst du
noch in deiner Einfalt. Sag dich los
von Gott und stirb"). In der Luft
über den beiden Personen fliegt der
Satan. Der steif gemalte linke Fuß des
Hiobs ist nicht von Enderle, sondern
eine „Ergänzung". 4. Die eherne
Schlange mit dem Zitat Xum. 21,9
(„Moses machte also eine eherne Schlange
und stellte sie ans zum Zeichen. Die Ge-
bissenen, die sie anschanten, wurden ge-
heilt"). „Abrahams Opfnr" und „Tie
eherne Schlange" sind noch ganz erhal-
ten.

Nach Angabe des 1". Prior Sauer
malte Enderle in drei Kartuschen drei
Chronogramme, die sämtlich die Jahr-
zahl 1777 ergeben, das Jahr der Voll-
endung der Klosterkirche.

Im Jahr 1779 erschien Enderle wie-
der in Oberndorf und malte vom 17. Mai
bis 6. August den Kreuzgang des Klo-
sters aus mit 51 Bild e r u v o n O r-
dens heiligen. Diese Bilder sind
bis heute sämtlich übertüncht. Wer weiß,
wann sie ihre Auferstehung feiern dür-
fen?

Außerdem sind von Enderle noch Fres-
ken in der Sakristei gemalt worden,
von denen noch die Figuren von Joa-
chim ltnb Anna und eine Darstellung
Jesu im Tempel teilweise erkennbar sind.
Für diese letzteren Arbeiten erhielt En-
derle noch 140 Gulden.

Das ganze Werk Enderles in Obern-
dorf ist. ein Meisterstück erster Ordnung.
Es sollte unbedingt erhalten bleiben.
Vielleicht entschließt sich die Firma Mau-
ser doch noch einmal, das ganze Gebäude
wieder als kirchliches Gebäude erstehen
zu lassen.
 
Annotationen