Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 37-39.1919/​21

DOI Heft:
Nr. 3 (1919)
DOI Artikel:
Rohr, Ignaz: Erneuerung und Erweiterung der Heiligkreuzkirche in Rottweil
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22108#0086
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
78

dom Chorbogen an dem zweiten vorde-
ren Pfeiler der Männerseite verlegt
werden, der Marien- und der Apostel-
altar ihren Standort vertauschen, der
Hochaltar einen Repositionstabernakel
und einen Expositionsthronus erhalten,
die übrigen Altäre nach Möglichkeit und
entsprechend den jeweils verfügbaren
Mitteln erneuert werden. Das gesamte
Gestühl sollte einem neuen Weichen mit
Ausnahme der Barockstuhldocken ltnb
der geschnitzten Vorder- und Rückwände.
Fiir die baulichen Veränderungen fer-
tigte Codes (Stuttgart) Skizzen, und
Wäschle (Rottweil) übernahm die Aus-
führung; ähnlich verfuhren Schnell
(Ravensburg) und die Rottweiler Mei-
ster bei den Altären, den für die Herz-
Jesu-Kapelle fertigte Hausch (Horb).
Die Ueberwachung bei der Restauration
der Verglasung und der Bemalung
iibernahm H. Direktor. Kolb (Stutt-
gart.)

So lag ein scharf umrissener Plan
vor, und die Ausführung vollzog sich
rasch. Der Kostenvoranschlag nahm in
Aussicht: fiir Maurer-, Steinhauer-,

Versatz- und Gipserarbeit 31 300 Mk.,
Zimmerarbeit 2200 Mk., Schreiner
12 800 Mk., Bodenbelag 5200 Mk.,
Schlosser 2600 Mk., Schmied 500 Mk.,
Glaser 9600 Mk., Maler 13 700 Mk.,
Kommunionbank 1000 Mk., Orgelauf-
stellung mit elektrischem Betrieb 2300
Mk., insgemein 19 800 Mk. Summa
101 000 Mk. Zur Deckung war vorge-
sehen: der Restbausonds mit 55 000 Mk.,
ein Grundstocksangriff der Kirchenpflege
mit 50 000 Mk. (Deckung durch Erspar-
nisse und Klingelbeutelertrag innerhalb
50 Jahren), endlich Heiligkreuzvereins-
einnahmen mit 12 000 Mk.

Das Werk ist vollendet und ein Wert-
urteil ist möglich. Die Erweiterungen
(Westwand deL Mittelschiffs und Sakri-
stei) sind wirkliche Verbesserungen.
Die Westfassade ist nun kein Notbehelf
mehr, sondern macht einen einheitlichen,
vornehmen Eindruck. Der Vorplatz mit
seiner Treppe und den gärtnerischen
Anlagen hilft denselben noch steigern.
Die Orgelempore hat ihre quetschende
Enge von ehedem verloren und Raum
und Licht gewonnen. Die Verteilung
des Gefälls vom Westeingang zum Chor-

bogen hilft den Gesamteindruck der
Längendimpnsion steigern. Man ist
beim Eintritt allerdings überrascht, ein
Gotteshaus, dem die Jahrhunderte im
Aeußern seine Patina, gegeben, innen
völlig neu und frisch zu finden. Ein
Besucher meinte, die früheren Farben
seien weich gewesen, die neuen seien
hart. Auch diese Härte wird die Zeit
mildern, und die Härte des Steins hat
das Recht, auch in der Farbe zur Gel-
tung zu kommen. Die Gesamtwirkung
ist eine monumentale. Die Kanzel prä-
sentiert sich an ihrem neuen Standort
sehr vorteilhaft. Der neue Schalldeckel,
bedeutend größer als der frühere, funk-
tioniert gut und fügt sich der Umgebung
harmonisch bin. Die Versetzung d s
Apostel- und Marienaltars hat den Vor-
teil, daß letzterer die Stirnseite der Vor-
derwand des Nordschiffes glücklich aus-
füllt, und ersterer wenigstens nicht so
tief in die Pfeiler des Haupt- und Herz-
Jesu-Chorbogens hineinschneidet. Die
Kommunionbank, eine Verbindung von
Steinplastik und Kunstschlosserarbeit, rjt
eine gediegene Leistung. Der Chor ist
ein Ganzes für sich. Den Grunvton
für seine Stimmung geben Kellners ge-
malte Fenster mit ihrer Farbenglut
(kräftiges Rot, Blau und Gelb bzw.
Gold) an. Der Hochaltar mit seiner Ver-
goldung gibt ihn weiter, und nun war
die Ausgabe die, auch dem Fußboden
ein entsprechendes Kolorit zu geben.
Man wählte fleischfarbenen Untersber-
ger Marmor — fiir die meisten ein un-
gewohnter und also befremdender An-
blick. In Deutschlands Gotteshäusern
dürfte er allerdings wenige Seitenstücke
haben. Er weist trotz seines deutschen
Ursprungs über die Alpen hinüber.
Man fand ihn auch unpraktisch wegen
seiner Glätte und der Gefahr des Glei-
tens und Stürzens. Doch ist dieselbe ge-
hoben durch das Legen von Läufern auf
den Wegen von der Sakristei zum Al-
tar, dem Chorgestühl und der Kommu-
nionbank. Wer die erste Ueberraschung
überwunden hat und ihn in dem
Lichte betrachtet, das durch die Riesen-
fenster des Chors mit ihren vollen
Grundfarben hereinströmt, der wird
ihm seinen Beifall nicht versagen. Daß
die Polsterung des Chorgestühls in Rot
 
Annotationen