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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 1- 3
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Rohr, Ignaz: Zur Kunstgeschichte der St. Moritzkirche in Rottenburg-Ehingen auf Grund der Weitenauerischen Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0021
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schisfcs verbaut wurden. Diesen Verlust an Helligkeit glich man aus durch Erbreiterung
der Außenfenster. Dagegen konnte man sich nicht entschließen, die gotischen Scheidebögen
zu maskieren und folgerichtig auch deren Stützen zu barockisieren, d. h. zu erbreitern durch
einen Mauer- oder Stuckmantel. So macht das Ganze einen unausgeglichenen, zwitter-
haften Eindruck. Höhen- und Breitendrang rivalisieren miteinander. Aber immerhin wirkt
das heutige Nahtgewölbe monumentaler als die ehemalige Bretterdecke- llnd da letztere
wegfiel und ihre Malereien nicht mehr ins richtige Licht zu rücken waren, so wird es ver-
ständlich, wie man sich zum Verzicht auf die Oberlichter für das Innere entschließen konnte.

Der zweite Unterschied ist bedingt durch die Freilegung des Chors. Ursprünglich war
der Blick in denselben annähernd frei, und das Gerede mag tatsächlich berechtigt sein, das
W. S. 177 mitteilt: „Vor disem soll jener Balkh mit daraus stehentem alten Crucisir
undt Bildtnusse Mariä und Johannis an dise Ohrt hinüber gewesen sein anfangs des
Chors, welcher jetzt stehet undt zu sehen in dem Bogen ober der Herrn Stüfftcr Gräber,
ist erst damahls sambt den hohenbergische Schilten von dem Ohrt wo derzeit die Orgel
zu sehen, an den Ohrt ober den Kräbcr transferirt. Vor disem brauchte man auff dißem
Stüfft nur ein Regall in dem Chor stehcnt." Ursprünglich war also der Chorbogen ledig-
lich durchquert von dem genannten Balken mit Kruzifir, Maria und Johannes, der Blick
somit frei, und außer dem wobl etwas einfacheren Gestühl barg der Chor noch ein kleineres
Musikinstrument. Dann kam der große Einbau mit der oben genannten „Vorbühne", der
Orgel darauf, der Schneckentreppe zur Seite und den Kaplans- bezw. MeSnerftühlen dar-
unter, das Ganze also ein lettnerartigeS Gebilde von den durch den Zweck bedingten beträcht-
lichen Ausmaßen, die den Blick in den Chor sicher sehr einschränkten. Der Chor selber mag
durch die Verlegung der Orgel auf dieses UebergangSglied an Raum gewonnen haben, so
daß das Gestühl sich mehr ausdehnen konnte. Der lOucrbalke» aber mit seinen drei Figuren
wurde in die Nordoftecke zu den Hohenbergergräbern verwiesen, wo er auch nicht recht
paßte und darum wieder verschwand und mit ihm leider auch die Figuren. — Ein weiterer
Eingriff versetzte die Orgel an die Westwand auf die bereits vorhandene Empore, trug ihren
ganzen früheren Unterbau ab und machte den Choreingang völlig frei. Doch fällt dieser Ein-
griff über die Zeit der Chronik hinaus. Naturgemäß fiel mit dem Einbau auch deffen Vor-
bau, der ihm vorgelagerte, dem Schiff zugekehrte Altar. Ob derselbe mit seinen alttesta-
mentlichen Marienbildern nicht einen Stammbaum Mariens bezw. Jesu enthielt, wie er
tatsächlich in damaliger Zeit beliebt war? Später fielen noch: von den drei Altären der
Nordwand zwei, von den zweien am Ostabschluß des Nordschiffes einer, so daß von den elf
Altären zu WeitenauerS Zeit heute noch sechs stehen.

Man möchte wünschen, daß WeitenauerS Nachfolger uns mehr mitgeteilt hätten über
den Umbau am Eingang des 18. Jahrhunderts. Raum dazu hat er ihnen allerdings nur sehr
wenig mehr gelassen, und den haben sie beschrieben bis auf das letzte Blatt. Aber der Bau
selber redet so deutlich, daß man sich immerhin ein ziemlich abgerundetes Bild seiner Schick-
sale machen kann, wenngleich die Namen der beteiligten Fachleute großenteils fehlen- Sic
leben in ihren Leistungen fort.

Ein kunstgeschichtlich interesiantes Bild bat uns Propst Weitenaucr mit seinen Amts-
nachfolgern hinterlassen, ein Bild mit Höhen und Tiefen. Ein gemeinsamer Zug aber gehr
durch das Ganze: die Anhänglichkeit ans Gotteshaus und die Opferfreudigkeit für seine
Erhaltung und seine Verschönerung. Daran haben weder religiöse Stürme wie die Refor-
mation noch politische wie der Dreißigjährige oder der Spanische Erbfolgekrieg viel geändert.
Was das bedeutet, mag ein kleiner Ausschnitt aus der allerschlimmsten Zeit beleuchten.

S- 193 berichtet Weitenaucr von einer Brandschatzung der Landschaft Hohenberg
durch die Schweden und Württemberger in der Höhe von 30 000 fl. im Jahre 1632. Das
Stift verspricht monatlich IO fl. Den I I. Hornung 1633 (S. 194) verbrennt der schwe-
dische Oberst Brinkh in Niedernau ca. 30 Häuser, „baut von hier IO Burger jämmerlich
tot". Am 16. Februar ergibt sich die Stadt Rottenburg. Den abziehenden 4OO Oester-
reicher» wird das Abkommen nicht gehalten. Am 18. werden von der Geistlichkeit für die
Einquartierung monatlich ZOO Reichstaler gefordert. Das Stift zu St- Moritz hat alle
IO Tage IO8 fl. zu erlegen und bezahlt demnach am 9. Termin 972 fl. Bald darauf for-
dert ein schwedischer Kommiffär IOO Rcichstaler. Dem RegimentSquartiermeister wurden

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