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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 1- 3
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Weser, Rudolf: Wengenkirche und Wengenkloster in Ulm
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0033
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verunzierte. Die Klosterkirche wurde 1805 Stadtpfarrkirche für die Katholiken von Ulm-
Das Schöne, was das 18. Jahrhundert geschaffen hatte, begegnete vielfach dem Unver-
stand und der Mißachtung. Schon um 1840 konnte man den Hochaltar nicht mehr ertragen,
er wurde entfernt bis auf die Mensa- Wahrscheinlich waren die Biedermeiernerven nicht
mehr stark genug, um das Altarbild vom Teufelssturz betrachten zu können. Es kam an die
Chorwand, wo es den Augen nicht mehr so im Wege war. Der Staat überließ der Kirche
1844 ein großes Kreuzigungsgemälde, das einst 1682 für die Klosterkirche zu Weißenau
gemalt worden war von Johannes Heiß, geb. zu Memmingen 1640, f in Augsburg 1704.
Eine weitere sog. Restauration geschah 1878 ff. Mit den noch vorhandenen Rokokoaltären
wurde gründlich aufgeräumt. An ihre Stelle traten drei Altäre in Ncurenaiffance, von
denen einer sogar bei einer Ausstellung in Stuttgart einen ersten Preis erhalten hatte. Der
Lettner wurde abgebrochen — das Einzige, was bei dieser Restauration verständlich war,
weil nach Aufhebung des Klosters und Verwendung der Kirche als Gcmcindekirchc feine
Daseinsberechtigung wegfiel. An seinem Ort erhob sich ein Kreuzaltar mit den gotischen
Kreuzigungsfiguren (heute in S. Elisabeth). Eine weitere Renovierung setzte an ihre
Stelle eine Herz-Iesu-Statue. Neue farbige Fenster schloffen neidisch das Licht vom Chore
ab, damit die Deckengemälde nicht mehr so leicht zu erkennen wären. Die Beichtstühle und
die Orgel waren wohl schon früher vorsorglich schön weiß gestrichen worden und eine häß-
liche eiserne Treppe bahnte den Weg vom westlichen Kircheneingang auf die Orgelempore.
Die Gemälde Kuens waren, besonders im Chor, bis zur Unkenntlichkeit verstaubt, verraucht
und vergangen. Aus dem Mittelbild der Decke im Schiff war ein großes Stück ausge-
fallen, und zwar gerade die Figur der apokalyptischen Frau, und möglichst schülerhaft und
schlecht ergänzt worden u- a. m.

Da setzte 1921 — 1924 die neue Restauration ein. Ihr Grundsatz war: der Kirche soll
ihr festlichccS Rokokogewand wieder hervorgeholt werden. Helles Licht, leichte Luft, warme
Farbe sollten weiche Tönung, festliche Freude und den Wohllaut des Zusammenklangs der
Farben in den geweihten Raum bringen. Manches mußte verschwinden: die gemalten
Fenster, die schlechten Gemälde der acht Seligkeiten, welche an der Außenwand der Chor-
stühle die Einlagen der Felder überzogen hatten, die Eisentreppe zur Orgel und viele andere
nichtssagende Zutaten, zu denen auch eine Anzahl von schlechten Heiligenstatuen zählten.
Alles Gestühl und Schreinerwerk wurde gereinigt, Beichtstühle und Orgel erhielten ihre
Bemalung wieder- Es wurde ein neuer Aufgang zur Orgel vom Roten Gang aus geschaffen
mit einem besonderen Raum für Sitzungen, eine Mesnerwohnnng eingebaut, daö Chörlei»
über dein Roten Gang zu einem stimmungsvolleren Raun» hergerichtct und dein Roten
Gang (Kreuzgangtrakl) ein Hauch seiner ehemaligen Schönheit wiedergegeben, neben vielen
anderen baulichen Arbeiten und Behebung einer Anzahl von Defekten. Was man kaum für
möglich gehalten hatte, die Wiederauffrischung der sehr verdorbenen vielen Fresken, das ist
restlos gelungen dem Kunstmaler M. Hammer (Schwcndi). Neu hinzugefügt wurden dem
Bildermaterial nur die Wapvenbilde' und Fensterteppiche an den Halbfenstern der Nord-
wand: diese, nüe auch die Restaurierung der Gemälde: Engelsturz von Kuen, Kreuzi-
gung von Heiß, Ecce bomo von Franz Morsack (Kum, Wcnga S. 174), hl. Familie von
Konrad Huber, ein prächtiges Martvrium des hl. Johann von Nepomuk, eine hl. Bctba
von Reute, die Stationenbilder u. a. hat Maler Koch (Söflingen) pünktlich und gut aus-
geführt. Eine große Schwierigkeit bot der Ersatz des Neurenaifsance-Hcchaltars, der gar
nicht mehr in den restaurierten Chor paßte. Die Gemeinde konnte das Geld für ein Rokoko-
werk nicht aufbringen. So behalf man sich mir einem an die Cborhauptwand gemalten
Altaraufbau, den Meister Hammer flott hingezaubert hat. Jetzt geht die Gemeinde damit
um, zwei Seitenaltäre, bisher ebenfalls Neurenaissance, neu im Geiste des Ganzen
anfznbauen.

In großartiger Weife hat der Staat — die Kirche ist Staatseigentum — das Werk
finanziell ermöglicht, und die Leitung durch das Landesamt für Denkmalskunde bot die Ge-
währ für die künstlerisch befriedigende Durchführung der Erneuerung. In hingebender und
energischer Weise hatte Baurat Dr- Mar Wagner vom Bezirksbauamt Ulm als technischer
Leiter sich bewährt. Seine.' Doktordiffertation über das Wengenkloster und seine Kirche
entnehmen wir die wertvollen Aufschlüffe über die Baugeschichte.

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