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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 10-12
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Weser, Rudolf: Zur Ikonographie des Isenheimer Altars, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0109
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zu können „in dem Fascnstück des Sockelgesimses, das die unterm Baldachin kniende Ma-
donna zur Linken haP""H. Mit Recht weist Beitz diese sehr gekünstelte Erklärung zurück mit
der Bemerkung, daß der Stein sich hier nicht befinden kann, weil ja dort noch der Alte
Bund sei, dessen Bauleute den Eckstein verworfen haben. Beitz siebt das Jesuskind selbst
als den lapis abscissus an. Wie er aber sagen kann: die Spitze des Berges, die in den
Himmel ragte, ist abgebrochen und niedergegangen zu den Menschen, und die Bruchstelle
des Berges erkennen will, das ist ganz ungereimt. Es dürfte eine andre Deutung zu suchen
sein, trotzdem die eben genannte einen schönen christologischen Sinn darbietet.

Am Anfang seines 64. Kapitels ruft IsaiaS zu Gott empor in einem wahren Advcnts-
geber: „O, daß du doch den Himmel zerrissest und herniederstiegest, auf daß die Berge
wiederum vor dir erbebten". Diese Stelle ist teilweise ins Speculuin liumanae sal-
vationis übergegangen in der Form:

Utinam disrumperet coelos et descenderet,

Ut 1108 de captivitate diaboli defenderet!

Sie wird von Hieroiwmus, Tertullian und InstinnS erklärt mit dem Hinweis anf das
Herabkommcn Gottes anf den Sinai. Dieses descensus sei ein Vorbild des Hcrab-
kommens Gottes zu den Menschen, der die Berge, d. h. die stolzen Menschenherzen, durcl,
die Gewalt seiner Gnade und seines Beispiels erweicht und hinneigt zu Demut, Geduld
und aller andern Tugend. Möchte Gott doch alle Riegel und Hindernisse anfhebe» und so
den Himmel zerreißen und zu uns niedersteigen zu einem neuen Werk und zur Erhebung
der menschlichen Natur. Mit dieser Stelle ist dann die andre des Hohenliedes zusammen-
zustellen (e 2, 8): „Horch, mein Geliebter war soeben angekommen, hinspringend über
Berge und über Hügel hüpfend". S. Bernhard'"") erklärt die Berge für die Engel, und
die Hügel für die Patriarchen und Propheten: „Wie der Blitz springt Christus über die
Berge, d. i. die Engel, und über die Hügel, d. i. die Patriarchen in den reinsten Schoß der
Jungfrau, von da springt er in die Krippe, von da nach Aegypten, zurückkehrend von da
springt er ans Kreuz und vom Kreuz und Grab aus springt er wieder zurück in den,
Himmel". Dem Hl. Bernhard ist mit dieser Erklärung der saltus des Erlösers noch aus-
führlicher vorangegangen S. Ambrosius''"), wenn er sagt: „Es springt Christus über die
Synagoge, er springt über die Heiden und überspringt die Inden. Lasset uns den Springen-
den betrachten: er springt vom Himmel zur Jungfrau, aus ihrem Schoß in die Krippe, von
der Krippe in den Jordan, vom Jordan ans Kreuz, vom Kreuz in den Grabeshügel und
aus dem Grabmal in den Himmel". Diese Stellen, welche sowohl den auf unserem Bild
befindlichen höheren Bergstock als die niedereren Hügel erklären, dürften das Bild besser
deuten.

f) Bei diesem Ueberspringcn der Berge und Hügel hat der Erlöser einen ganzen
Himmel von Enge l n in jubelnder Freude zu Zuschauern und in ihrer höchsten Höhe
thront in einem Meer von Feuer, Licht und Helle G o t t V a t e r mit Herrscherstab und
krenzgekröntcr Kugel in den Händen.

Gaudet clioriis coelestiiini
Et angeli cammt Deum
Palamque fit pastoribus
Pastor creatorque omnium

singt Scdnliuö'''). Den freudeseligen Hirten aber legt die Kirche das Wort in den Mund:
„Den Neugeborenen haben wir gesehen und die Engelchöre vereinigt im Gotteslob"''J.
Und die Kirche singt im ersten Responsorinm von Weihnachten: „Heute hat sich der Himmcls-
könig gewürdigt, von der Jungfrau für uns geboren zu werden, damit er den verlorenen
Menschen zu den himmlischen Reichen zurückrnfe". „Es freut sich das Engelshcer, weil das

m) Bernhart S. 6. Beitz S. 52.

125) S. Bernhard, sermo 54.

12°) S. Ambrosius in ps. 118, sermo 6 v. 1.

m) Scdulins, hymn. 2 S. 164.

l28) Brevier, R-sp. 3 an Weihnachten.

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