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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 42.1927

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1. Heft
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Schmidt, R. W.: Die Restaurierung des Wasseralsinger Altars von Martin Schaffner
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https://doi.org/10.11588/diglit.15945#0022

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sorgfältige Behandlung der reichen Gewänder, kommt jetzt erst zur Geltung.
An Ergänzungen war nur wenig nötig. Neben unbedeutenden Ansbeffernngen
des Laubwerks am Schrein und an den Kreuzblumen wurden nur die linke
Hand des Apostels Matthäus, die Fliigelchen der Engel und die Krone der
Muttergottes ersetzt. Das barocke Zepter, das Maria außer dem Apfel in
der Rechten hielt, wie auch ihre Krone aus Pappe, zwei schlechte Zutaten des
!8. Jahrhunderts, fielen weg. Die problematischen Wappenschildchen, die mit
kleinen Nägeln an den Stisterfigürchen selbst befestigt waren, wurden an die
wiedereingefügte Stufe versetzt.

Die Restaurierung ist somit auf die denkbar schonendste Weise mit dem
vorhandenen Bestand umgegangen, ohne doch ihr Ziel, die Wiederherstellung
des ursprünglichen Zustandes, aus dem Auge zu verlieren. Sie kann als Bei-
spiel dafür angesehen werden, daß es wohl möglich ist, die berechtigten For-
derungen der Kirche an eine würdige Gestaltung der noch im Gebrauch stehen-
den Kultgegenstände mit den Gesichtspunkten der Denkmalpflege in Überein-
stimmung zu bringen.

Den Bemühungen des württ. LandeSanttS für Denkmalpflege ist es nicht
zuletzt durch das verständnisvolle Entgegenkommen der zuständigen kirchlichen
Behörden gelungen, eines der wertvollsten Werke der Ulmer Kunst aus den,
Beginn des 16. Jahrhunderts wieder in alter Schönheit erstehen zu lasten.
Die Restaurierung der Gemälde wurde durch den Konservator der Gemälde-
galerie, Prof, von Tettenborn, die der Figuren und des Laubwerks am Schrein
durch Bildhauer Gerdes-Stuttgart zusammen mit dem LandeSamt ausgeführt.

Kunst und Kirche.

Woran wir — im Gegensatz zu allen anderen, welche den Grundsatz l'art pour l’art
vertreten — unbedingt fefthalten muffen, ist die Wahrheit, dasi der erste Zweck der kirch-
lichen Kunst der letzte Zweck aller Kreatur ist: nämlich die Ehre Gottes, welche durch mög-
lichst vollkommene Darstellung der Wahrheiten des Christentums gefördert werden soll.
DaS Christentum ist aber wesentlich Übernatur. Eine Kunst, welche die Übernatur des
Christentums, die Gottheit Christi, das Gnadenleben der Heiligen auf Erden und die
Glorie der Seligen im Himmel verleugnet, kann weder christliche noch kirchliche Kunst
sein. Je vollkommener dagegen eine Kunst diese Momente der Übernatur darzustellc»
vermag, desto mehr ist sie christliche und insofern sie auch die liturgischen Gesetze der Kirche
berücksichtigt, kirchliche Kunst.

Der zweite Zweck der kirchlichen Kunst ist die Erbauung des christlichen Volkes.
Die kirchliche Kunst soll das gläubige Volk zu frommen Gedanken und Gefühlen an-
regen und durch sic das Tugendleben in de» Seele» fördern und bestärken. Eine Kunst,
die dem christlichen Volke fremd ist, die in seinem Glaubens- und Tugendleben kein Echo
weckt, mag in der Darstellungsweise Kunst sein, aber christliche Kunst ist sie nicht und noch
viel weniger kirchliche Kunst.

Die kirchliche Kunst ist also i» zweifacher Beziehung Zweckkunst — ein Satz, der
eine unverrückbare Richtlinie bedeutet im Chaos der heutigen Meinungen über Kunst und
Künstler.

Dr. Georg Schund von Grüneck, Bischof von Chur.

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