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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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1. Heft
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Pfeffer, Anton: Rudolf Cammisar
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0020
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zum Wege der Kunst zu erwerben. Ein schweres Ringen! Gleichwohl! Zu
Stuttgart und München besuchte Cammisar die Akademie für Bildende
Künste beziehungsweise die Lehr- und Versuchswerkstätten von Wilhelm von
Debschitz; letzterelnit einem Staatsstipendium. Auch dem Studium der Mei-
ster in der Alten Pinakothek widmete Cammisar einen Winter. Dazwischen
waren immer Wochen und Monate eingelegt, in denen er in Offenburger oder
Münchener Werkstätten für Glasmalerei arbeitete, oder sonst seiner Ausbil-
dung oblag, so in der Münchener Kunstgewerbeschule; Wochen auch, in wel-
chen mit glühendein Eifer die Natur studiert wurde, da phantasieloses Stu-
dium der Akademie und der Schulen ihn abftieß. Jedenfalls ging jahrelang
der Weg hin und her zwischen Broterwerb und Brotftudium, zwischen Glaö-
malereiwerkftätte und Akademiesaal. Besäße Cammisar nicht einen eisernen
Willen, einen siegessicheren Glauben an seine Mission — nie und nimmer
hätte er durchgehalten.

Aue dem Kriegserleben nur so viel, daß er, den katholischer Kultus und
katholische Liturgie von jeher mächtig angezogen, und auf den der gregoria-
nische Choral schon in jungen Jahren einen ahnungsvollen Zauber übte, den
Weg zur Kirche fand. DaS religiöse Moment ist überhaupt wesentlich im Le-
ben und Arbeiten- des Künstlers. Nur die gläubige Seele sieht so die Na-
tur und in ihr die Gottesverherrlichung, ein Credo, das aus allen Akkorden
des Herzens emporsteigt ins Reich des Lichts, der Atmosphäre der Wolken,
die dem Künstler so sehr Gottes Majestät und Größe künden wie die Erde,
ja aus den Erscheinungen der Atmosphäre schöpft Canunisar Elemente der
Farbe, der Form- und AuSdruckSgcstaltuug, daß man gleichsam Gottes Odem
fühlt und man händefaltend die Worte des Sonnengesangs oder der Psal-
men auf die Lippen nimmt.

Ein Höhepunkt der äußeren Schicksalsprüfung war für Cammisar der
Kriegsausgang mit dem Verlust des gesamten väterlichen Vermögens und
Erbes auf elsäfsifchem Boden. Gleichviel: ob Cammisar der geworden, der er
ist, hätte er nicht den Kelch der Prüfung und Bewährung leeren müssen bis
zur Neige? Ist die Schale des Opfers nicht iuuner und immer wieder gerade
auf den Lebensweg derer gestellt, die der Mitwelt lnehr als andere zu fein
und zu geben haben? DaS Entscheidende liegt darin, daß aller Leiderfahrung
und Prüfung zum Trotz das Lebensideal einer reinen Flanune gleich durch alle
dunklen Tage und Nächte getragen und glaubensstark und lebenstapfer jede
Prüfungsetappe durchschritten wird.

Seit 1920 konnte sich Cammisar an den Ausstellungen, die Edmund
Steppes und sein Kreis in ganz Deutschland veranstalteten, beteiligen. Sein
Hauptradierwerk entstand 1922. Seit 1923 steht Canunisar auf der Höhe
seines Schaffens, wie Ankäufe seitens des Staates, vor allem seitens
B a p e r n s und W ü r t t c m b c r g 6 beweisen, sowie das Interesse öffent-
licher Museen, besonders für seine Radierungen.

Unser Künstler offenbart eine große innere Welt, ob man nun Federzeich-
nungen, Radierungen und Gemälde vor sich hat.

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