Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

DOI Heft:
2. Heft
DOI Artikel:
Breucha, August: Der Barock in Oberschwaben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0057
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wie im ganzen deutschen Geistesleben, so ist auch in der Kunst die Refor-
mation die große Wasserscheide: was vor der Reformation liegt, ist mittel-
alterliche, romanische und gotische Kunst, was nachher kommt, ist der Barock.
Die sogenannte Renaissance, d.h. die Wiedergeburt der klassischen, griechisch-
römischen Kunst, hat in Deutschland keine selbständige Bedeutung erlangt,
sondern bildet nur einen Teil der neuzeitlichen Entwicklung, die wir betrachten.
Rokoko lind Zopf, die keine Baustile, sondern nur Dekorationsstile sind, sind
im Begriff des Barock im weiteren Sinne eingeschlossen.

Bis vor zehn oder zwanzig Jahren war der Barock eine verachtete Kunst-
periode, die man mit Schlagworten wie „Zopf", „Schwulst" abtat, die man
auch in katholischen Kreisen als Verfall ansah und als prahlerisch, hohl und
äußerlich brandmarkte. Das war eben die Einstellung einer rationalistischen,
naturwissenschaftlich orientierten Zeit, welche die hinter der großen Geste des
Barocks stehende Kraft und Gllit nicht spürte, vielleicht auch nicht spüren
wollte, während man die zeitgenössische Musik von Bach, Händel, Gluck längst
kennen und schätzen gelernt batte. Nun ist aber — das ist gar nicht zu leuq-
»en — in der ganzen Kunstwissenschaft das lebhafteste Interesse für diese
Periode erwacht, lind eS sind in den letzten Jahrzehnten sehr bedeutende Werke
über daS Barock heransgekommen, ich nenne neben Gurlitt, Thode, Wölfflin
und zuletzt Weingartner insbesondere HauttmannS „Geschichte der kirchlichen
Baukunst in Bayern, Schwaben lind Franken 1550 bis 1780", die mir das
wichtigste Material geliefert bat, lind Feulnerö „Bäuerisches Rokoko". Die
kirchliche Balikunst Oberschwabens hat erstmals Pfeiffer in „Württember-
gische Kunst- und Altertumsdenkmäler, Donaukreis", behandelt, von Hautt-
mann werden die bedeutsameren schwäbischen Kirchen eingehend gewürdigt.
In den neuen Büchern über die Kunst- und Altertuntsdenkmale der einzelnen
Oberämter ist jeweils das ganze Material gesammelt, aber es fehlt die syste-
matische Darstellung, die Knüpfung der Zusammenhänge und vielfach alich die
Erfassung der Seele dieser Kunstdenkmäler. Ein großes Verdienst um die
Wiederbelebung des Interesses für das schwäbische Barock hat unser Bischof
Keppler, der durch die glänzenden Essays seiner „Württembergischen Klostcr-
bilder" einem weiten Kreise von Lesern die Augen geöffnet bat für die künst-
lerischen Werte, die in diesen säkularisierten, vielfach noch int Dornröschen-
schlaf liegenden Klosterkirchen und Klöstern stecken. Aber das große, alle Ge-
biete des Geisteslebens luilfassende Werk über die Kultur des 18. Iahrhun-
derts in Oberschwaben ist »och nicht geschrieben und noch nicht angefangen.
Erfreulich ist jenes Wiedererwachen des Interesses für den Barock auch als
Anzeichen der Wendung der deutschen Bildung zur Kunst, vielleicht auch als
Anzeichen einer Renaissance des Katholizismus, nicht einer neuen Gegen-
reformation, wie manche ängstlich befürchten.

Der Barock stammt aus Italien. An seiner Wiege stand der gewaltige
Michelangelo, und am Anfang der großartigen Reihe der barocken Bau-
schöpfungen stebt die Peterskirche in Rom in der Form, die Michelangelo dem
Entwurf des Bramante gegeben hat, und die Iesuitenkirche Al Gesu von
Vignola ebendaselbst. Am Anfang des deutschen Barock aber stebt die von

53
 
Annotationen