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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0108
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vielbeschäftigte Vertreterin der deutschen
Frauenwelt die Abfassung dieses Buches
eine Erholung aus den politischen und so-
zialen Kämpfen des Tages war, so mag die
Lektüre des wundervoll illustrierten Frauen-
buchs für viele im Lebenskampf und Welt-
anschauungSftreit zermürbte Volksgenossen
und -gcnossinnen eine seelische Erquickung
bedeuten und bewirken. Soviel Adel, soviel
Kraft, soviel Tiefe, soviel leiblich-seelische
Harmonie spricht aus diesen in Wort und
Bild vorgeführten Gestalten. Die Dome
von Naumburg, Bamberg, Straßburg,
Magdeburg lieferten das Hauptmaterial für
den deutschen Frauenspiegel. Die Verfasse-
rin hat selbst zuerst in tief innerlichem Er-
schauen sich in diese Meisterwerke deutscher,
deutschester Kunst versenkt, ehe sie andere»
die sicher vielen heute fremd gewordene
Sprache mittelalterlicher Fraucnbildniffe
deuten konnte und wollte. Nur wer Kunst
und Dichtung, Geschichte und Volkstum des
Mittelalters so gründlich kennt, und auch
die Spannung zwischen einst und jetzt in
der deutschen Seele an sich und anderen so
tief erfahren hat, kann solch geist- und ge-
mütvolle Worte für den abgrundtiefen
Sinn der klassisch-mittelalterlichen Porträt-
skulpturen finden. Daß die Geistes- und
Parteigenossin eines Friedrich Naumann
für das Allertiefste in dem Antlitz jener
Domgestalten nicht immer die richtige
Sprache der an unseren Altären Betenden
Nachformen kann und dem seelischen Aus-
druck einzelner Figuren wie der Ecclesia am
Straßburger Münster, nicht völlig in un-
serem Sinn gerecht wird, ist wohl verständ-
lich. Aber daß der Adel all der auögewähl-
ten Frauenbilder hochmittelalterlicher Pla-
stik im Gegensatz zur Antike „nicht Natur-
geschenk, sondern seelische Leistung ist, ras-
siges Barbarentum in Zucht genommen durch
tiefsten religiösen Ernst und in dieser Fröm-
migkeit zugleich alle dunklen Blutkräfte
dieses Volkstums" —, scheut sich die ge-
feierte Vertreterin modernster liberaler
Frauenideale nicht, wiederholt anzuerkennen.
Vielleicht das Schönste am schönen Buch!
Mögen weite Kreise dcö deutschen Volkes
G. B. als Führerin auch auf solch inter-
fraktionellen und interkonfessionellen Grenz-
gebieten von Religion undKunft willkommen
beißen und so auch dem Verlag die köstliche
Ausstattung desBäumerschenBnches lohnen!

Alp, E., Die Kapitelle des All. Jahrhun-
derts im Entstehungsgebiet der Gotik.
8". 77 S. Mit 70 Abb. 1927.
Detmold, M. Stärke, geb. 6 Mark.

In die Klcinwelt der großen gotischen
Bauwerke führt die wohl als Doktordisser-
lation ursprünglich bearbeitete Spezial-
untersuchung von Emma Alp. Daß auch
solche Kleinarbeit der Erkenntnis der gro-
ßen Kunstentwicklungsphasen förderlich wer-
den kann und tatsächlich wird, zeigt die
vorliegende mit 70 Kapitcllabbildungen
illustrierte Detailuntersuchung. Vier Grund-
typen von Kapitellen in der Uebergangs-
zeit vom romanischen zum gotischen Bau-
stil im Ursprungsland der französischen
Gotik, der Isle de France, werden im An-
schluß an Gall und besonders Hamann fest-
gestellt: das Trapez-, Kelchblock-, Blatt-
kelch- und Kalathoskapitell, dann die Arten
der Ornamentik untersucht (byzantinisieren-
des, naturalisierendes, stilisiertes Akanthus-
blatt und nichtakanthisierendes Blatt); hier-
auf folgt das interessanteste und umstrittenste
Kapitel: die entwicklungögefchichtliche Be-
deutung der verschiedenen Kapitellformen
des 12. Jahrhunderts. So erhalten diese
lange genug stiefmütterlich behandelten —
nach Alps Vorwurf auch noch von Dehio —
Nebenformen und Nebenprodukte, halb Ar-
chitektur, halb Plastik, ihre sachkundige
Wertung als Träger und Verkünder der
Stilbildung und verschaffen uns die Mög-
lichkeit, „den Makrokosmus künstlerischen
Schaffens im Mikrokosmus wiederzufin-
den". Ob bei dieser methodisch feinen Klein-
arbeit Alp mehr als Hamann der Gefahr
entgangen ist, Datierungsfragen auf Kapi-
telle zu stützen, kann nur der eingeweihteste
Spezialist (allein?) entscheiden. Jedenfalls
lohnte das Thema und lockt zu ähnlichen
Arbeiten auf Heimatboden.

Lethaby W. R., Medieval Paintings at
Westminster. 8° 31. S. 1928 London
H. Milford. Amen House E. C. 4 War-
wick Square, brosch. 2,6 sh.

Als erfreuliches Zeichen allmählicher
Wiederanknüpfung internationaler wissen-
schaftlicher Beziehungen zwischen den ehe-
maligen Feindstaaten und vor allem als Be-
weis des Bekanntwerdens unseres kleinen
Diözesankunstvereinsorgans im Ausland
bucht der schon als Tübinger Theologie-
und Philologiestudent mit alten und jungen
Engländern verkehrende Redakteur die Zu-
sendung obiger kunstgeschichtlicher Schrift

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