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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 44.1929

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Naegele, Anton: Ein neues Verfahren zur Rettung gesprungener Glocken
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https://doi.org/10.11588/diglit.15947#0014

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entdecken, an einer etwas blanken Schürfung, bis schließlich die Patina einer
zweiten Altersperiode die Wunde der neuverjüngten Glocke ganz verdeckt.
Ganz kleine Ehrenzeichen bezeugen Kampf und Sieg. An der einen oder
anderen Bandagestelle bleibt ein kleiner Eindruck als Zeichen, daß die ganze
Glocke auch fern vom Riß beim Verfahren erweicht wurde. Und das Aller-
wichtigste, diese also geflickte Glocke hat nicht nur wieder ihren guten alten
Ton, den Grundton mit den Nebentönen Oktav, Quint und Terz erhalten,
sie klingt an der Bruchstelle am reinsten, und den ganzen Glockenkörper durch-
rieselt ein neues musikalisches Leben, wie wenn das fast erstorbene Leben der
Greisin ein Lebenselixier neu geweckt hätte. Auch die Haltbarkeit der Bruch-
stelle ist durch die stärksten Klöppelfchläge lange Zeit hindurch erprobt, außer-
dem gibt der Meister jahrelange Garantie. Und endlich, der Preis des Ver-
fahrens stellt sich um ein Vielfaches billiger als die Einschmelzung. Wer ver-
mag vollends den unschätzbaren Wert dieser Glockenheilungsmethode zu er-
meffen, die eine an Alter, Kunst, Ton, Zierat, Patina so hervorragende
Schöpfung, unversehrt bis aufs kleinste Detail von Inschrift und Ornament,
zurückgibt und der Nachwelt überliefert?

Der seit einer Reihe von Jahren zur vollen Zufriedenheit aller Auftrag-
geber, Sachverständigen, Kunst- und Musiksorscher diese Arbeit leistet, heißt
Thomas Lachen m e y e r; mit seinem Sohn Johann hat er die Werkstatt
in Nördlingen inne. Sein Verfahren ist autogene Schweißung. In
den letzten vier Jahren hat Herr Lachenmeyer über 8O Glocken in Württem-
berg, Baden und Bayern geschweißt nach seinem erprobten Verfahren, und
nicht ein einziger Versager war darunter, wie es selbst dem besten Glocken-
gießer passieren kann.

„Wenn der Guß mißlang?

Wenn die Form zersprang?

Ach, vielleicht, indem wir hoffen,

Hat unö Unheil schon getroffen,"

muß auch der Meister in Schillers Glockenlied befürchten. Die ungeheure Ge-
fahr, die auch nach dem wohlgelungenen Guß bei der Abkühlung die Glocke
bedroht, das Entstehen der vielen physikalisch erklärbaren Spannungen je nach
dem Tempo der Abkühlung an den verschiedenen Stellen, hat Lachenmeyers
Verfahren stets spielend zu überwinden gewußt. Zahlreiche Gutachten unab-
hängigster Sachverständiger, wie Johann Strübel, Domkapitular, Koad-
jutor in Würzburg, Ludwig Berber ich, Domkapellmeifter und Akademie-
prosestor in München, Dr. Wilhelm Wiedmann, Domkapellmeister in
Eichstätt, die beiden letzteren besonders bewährte Forscher aus dem Gebiet der
Glockenmusik, Karl Schweitzer, Domkapellmeifter in Freiburg, Pfarrer
Dr. Anton Möhler, Steinhaufen, Edmund Hohmann, Musikdirektor in
Ansbach u. a. bestätigen in Originalgutachten auf Grund sorgfältiger Prü-
fung, daß bei den von Lachenmeyer geschweißten Glocken der Ton unverändert,
Klangfülle und Nachsummen stärker zutage treten, Haupt- und Nebentöne
rein hervorkommen, ja die Schweißstelle einen volleren Ton gibt, Inschriften
undVerzierungen, durch welche der Riß ging, aufs beste erhalten geblieben
sind.

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