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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 44.1929

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Heft 2
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Naegele, Anton: Die fürstlich-hohenzollernsche Kunstsammlung in Sigmaringen einst und jetzt, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15947#0048

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Hohenzollerngeschlecht einmal mit Vergils Vers gewünscht. Es sind dieselben
Fürstendiener gewesen, die wenige Jahre vorher, als in der unseligen Infla-
tionszeit das Haus Nazareth seine hungernden Waisenkinder nicht mehr ver-
sorgen konnte und unter Ablehnung des bald nicht mehr einen Pappenstiel
geltenden Angebots der Sigmaringer Hofkammer die Iesus--Iohannes--Gruppe
dem Berliner Kaiser-Friedrichs-Museum überließ, Zeter und Mordio gegen das
Heimat-- und fürstenfeindliche Vorgehen von Klerus und Schwestern schrieen und
schrieben. Ursache und Wirkung haben sich freilich inzwischen je nach dem Partei-
standpunkt mehr oder weniger ausgeglichen. Wohin die köstlichste Blüte mittel-
alterlicher Mystik und Kunst heute entführt würde, könnte allerdings zur Zeir
kein Mensch sagen.

Noch scheint ja — da diese Zeilen geschrieben werden — das Schicksal der
vom Fürsten von Hohenzollern veräußerten Kunstsammlung nicht entschieden. Zu-
nächst kamen die gewiß vielen unserer Leser bekannten Schätze des Fürstenbaus
nach Frankfurt und wurden im rühmlich bekannten Städel'schen Institut aus-
gestellt. Weit über die Grenzen der alten, für mittelalterliche Kunst einst wie jetzt,
scheint es, nicht verständnislosen Reichsstadt hinaus, ja im ganzen Reich hat diese
Gastbeherbergung der Sigmaringer Sammlung Aufsehen und Teilnahme erweckt,
zumal da die Arbeiten von Kunstkennern wie Rieffel, Sprinz-Losserst), Swar-
zenski u. a., den Boden für ihre Aufnahme etwas vorbereitet hatten. Aller-
Anerkennung wert sind die Worte, die der Frankfurter Oberbürgermeister bei
der Eröffnung der Ausstellung im Städel-Institut gehalten auch zur Recht-
fertigung der Opfer, die der Magistrat in einmütigem Zusammenwirken mit
Stadtverordnetenversammlung und „prominenten Bürgern" gebracht hat, für
den Ankauf eines Teils der Sigmaringer Kunstschätze?) So sehr wir die Ent-
fremdung und Entführung vom Heimatboden besonders des schwäbischen Kunst-
gebiets beklagen müssen, so ist doch das durch jene Aktion gestützte (oder sie
stützende?), entschlossene Vorgehen des Generaldirektors der Frankfurter Museen,
Prof. Dr. Georg S warzenski, anzuerkennen, das eine öffentliche Auktion
und damit einen viel leichteren Verkauf der Sigmaringer Museumswerke ver-
hinderte. Auch ist dadurch ein gewisses Vorverkaufsrecht anderen deutschen
Museen wie Bonn, Berlin, Stuttgart, Düsseldorf, Köln, Karlsruhe gesichert
und so die Erhaltung der Mehrzahl der Kunstwerke auf deutschem Boden gewähr-
leistet. Denn daß der internatiönale Kunsthandel trotz der sogen, „nationalen
Schutzliste", die etwa 20 Stücke der Sigmaringer Sammlung als genehmigungs-
pflichtig für etwaige Ausfuhr und Verkauf ins Ausland bezeichnet hat, diese
Ausfuhrbeschränkung für „national wertvolle Kunstwerke" bei der Berliner
Zentralverwaltung nicht nur einzuholen, sondern auch zu umgehen weiß, lehrt
die Erfahrung. Die Ausleerung der ehemals landesfürstlichen Galerien in
Dessau, Hannover, Braunschweig, selbst des Kaiserhauses, wie die Fama erzählt,
oder gar adeliger und bürgerlicher Privatsammlungen hat seit Revolution und
Inflation und Dawesplanbesteuerung vollends ein Ausmaß angenommen, das
insgemein erschreckend wirken muß. Bald kann nur noch im Dollarlande der
Vereinigten Staaten Nordamerikas die deutsche Wissenschaft ihre so hochstehende
Kunstforschung fortsetzen. Da wäre, wie bald nach dem Krieg für die notleidende

2) Die Bildwerke der Fürstlich-Hohenzollernschen Sammlung Sigmaringen (1926).

3) Frankfurter Zeitung 25. August 1928.

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