diesem Frühjahr mit Spannung der Verwirklichung derselben Idee entgegengesehen:
einen Ueberblick über das Schaffen einheimischer Künstler auf den verschiedenen Ge-
bieten religiöser Kunst des Protestantismus zu geben. „Schien es doch, als ob der
gerade in der evangelischen Kirche Württembergs sehr vernachlässigte Sinn für
die bildende Kunst dadurch neue Anregungen und Impulse erhalten könnte", glaubt
der sachkundige Kunstkritiker im Schwab. Merkurs kürzlich besonders hervorheben zu
müssen. Umso erfreulicher ist das neuere Bestreben mancher kirchlicher Kreise, die
lange vorherrschende bilderfeindliche Auffassung, besonders des zwinglianifch beein-
flußten Neuchristentums, zu mildern und auch' für die innere Ausstattung des
Gotteshauses wie schon einige Jahrzehnte früher für die bauliche Gestaltung den
Anschluß an die Kunst der Gegenwart zu suchen. Eine engere Verbindung der
Schaffenlden von heute mit der Kirche, auch wenn sie nach ihrem Wesen der bildenden
Kunst weit weniger Aufgaben stellen kann als der Katholizismus mit seinem
reicheren dogmatischen und liturgischen Formenschaß, kann nur beiden Teilen zum
Vorteil gereichen.
Neben der Unterordnung unter eine bestimmt umrissene Idee religiös-kirchlicher
Prägung ist es vor allem auch das fruchtbare Lebensgefühl der Gemeinschaft, das
einem Hauptübel der Gegenwart, der wichtigsten Ursache mangelnder Schöpferkraft
in der religiös-kirchlichen Gegenwartskunst, entgegenwirken kann, dem übersteigerten
Individualismus. Schreibt ja ein hauptstädtischer Berichterstatter,2 3) im Hinblick auf
das kirchliche Kunstschaffen früherer Jahrhunderte und das Ergebnis dieser neuesten
Kunstausstellung: „Die ganze bildende Kunst leidet an der Uerbersteigerung des
Subjektivismus: ed ist ein Zeichen dafür, daß uns heute der gemeinsame Pulsschlag,
der Rhythmus, fehlt, mit dem allein nur überpersönliche, ewige Kunst geschaffen
werden kann." Es muß also mehr auf Konto dieses kirchlicher Kunst feindlichen Ge
genwartsgeistes als des veranstaltenden Vereins für christliche Kunst in der evange-
lischen Landeskirche Württembergs gesetzt werden, wenn alle bisherigen Berichterstatter
sowohl aus den politisch und kirchlich liberalen wie den konservativen Kreisen des
hauptstädtischen Protestantismus den unbefriedigenden Gesamteindruck der neuen
Ausstellung religiöser Gegenwartskunst offen hervorheben und bei jedesmaliger
Vergleichung mit der, scheint es, unvergessenen letztjährigen Ausstellung katholischer
Kirchenkunst in Stuttgart die gegenwärtige „beträchtlich unter dem Niveau der
vorjährigen" finden?) Um ja nicht dem Vorwurf künstlerischer Parteilichkeit oder
gar konfessioneller Voreingenommenheit einen Schein von Berechtigung zu geben,
glaubte der Berichterstatter solche Urteile von nichtkatholischer Seite zum Teil wörtlich
anführen zu sollen.
I.
Bei einem Rundgang durch die nicht wie voriges Jahr vielfach bedrückend eng
gefüllten zehn Räume des neuen Kunstgebäudes fällt vor allem jedem Beschauer auf,
daß der weitaus größte Bestand an ausgestellten Kunstgegenständen, Tafelgemälde
neben wenigen Entwürfen und Ausführungen von Glasgemälden und Fresken, nach
Form und Inhalt ganz traditionellen Charakter trägt, während Architektur und
Plastik in ihren nicht sehr zahlreichen Vertretern weit mehr, doch auch nur bei einem
Teil der Aussteller, das Gepräge neuzeitlichen Kunstschaffens zeigen. Im Vorsaal
'eben wir drei Glasgemälde von Walter Köhler, Rudolf Pelin jun. und Ina Hoßfeld,
wohl aus der Stuttgarter Glasmalerei von Saile hervorgegangen, eine respektable
Leistung technisch und künstlerisch, nur teilweise zu satte, dunkle Färbung: Szenen
aus Pauli Leben, Johannes auf Patmos, Paradies und Weihnachten. Ernst Grasers
Entwürfe für Kirchenfenster in Großheppach und Backnang verraten in figürlicher
2) 24. Juli 1929 Nr. 342.
3) Lannstatter Zeitung 19. Juli 1929 Nr. 167.
st Süddeutsche Zeitung 23. Juli 1929 Nr. 339.
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einen Ueberblick über das Schaffen einheimischer Künstler auf den verschiedenen Ge-
bieten religiöser Kunst des Protestantismus zu geben. „Schien es doch, als ob der
gerade in der evangelischen Kirche Württembergs sehr vernachlässigte Sinn für
die bildende Kunst dadurch neue Anregungen und Impulse erhalten könnte", glaubt
der sachkundige Kunstkritiker im Schwab. Merkurs kürzlich besonders hervorheben zu
müssen. Umso erfreulicher ist das neuere Bestreben mancher kirchlicher Kreise, die
lange vorherrschende bilderfeindliche Auffassung, besonders des zwinglianifch beein-
flußten Neuchristentums, zu mildern und auch' für die innere Ausstattung des
Gotteshauses wie schon einige Jahrzehnte früher für die bauliche Gestaltung den
Anschluß an die Kunst der Gegenwart zu suchen. Eine engere Verbindung der
Schaffenlden von heute mit der Kirche, auch wenn sie nach ihrem Wesen der bildenden
Kunst weit weniger Aufgaben stellen kann als der Katholizismus mit seinem
reicheren dogmatischen und liturgischen Formenschaß, kann nur beiden Teilen zum
Vorteil gereichen.
Neben der Unterordnung unter eine bestimmt umrissene Idee religiös-kirchlicher
Prägung ist es vor allem auch das fruchtbare Lebensgefühl der Gemeinschaft, das
einem Hauptübel der Gegenwart, der wichtigsten Ursache mangelnder Schöpferkraft
in der religiös-kirchlichen Gegenwartskunst, entgegenwirken kann, dem übersteigerten
Individualismus. Schreibt ja ein hauptstädtischer Berichterstatter,2 3) im Hinblick auf
das kirchliche Kunstschaffen früherer Jahrhunderte und das Ergebnis dieser neuesten
Kunstausstellung: „Die ganze bildende Kunst leidet an der Uerbersteigerung des
Subjektivismus: ed ist ein Zeichen dafür, daß uns heute der gemeinsame Pulsschlag,
der Rhythmus, fehlt, mit dem allein nur überpersönliche, ewige Kunst geschaffen
werden kann." Es muß also mehr auf Konto dieses kirchlicher Kunst feindlichen Ge
genwartsgeistes als des veranstaltenden Vereins für christliche Kunst in der evange-
lischen Landeskirche Württembergs gesetzt werden, wenn alle bisherigen Berichterstatter
sowohl aus den politisch und kirchlich liberalen wie den konservativen Kreisen des
hauptstädtischen Protestantismus den unbefriedigenden Gesamteindruck der neuen
Ausstellung religiöser Gegenwartskunst offen hervorheben und bei jedesmaliger
Vergleichung mit der, scheint es, unvergessenen letztjährigen Ausstellung katholischer
Kirchenkunst in Stuttgart die gegenwärtige „beträchtlich unter dem Niveau der
vorjährigen" finden?) Um ja nicht dem Vorwurf künstlerischer Parteilichkeit oder
gar konfessioneller Voreingenommenheit einen Schein von Berechtigung zu geben,
glaubte der Berichterstatter solche Urteile von nichtkatholischer Seite zum Teil wörtlich
anführen zu sollen.
I.
Bei einem Rundgang durch die nicht wie voriges Jahr vielfach bedrückend eng
gefüllten zehn Räume des neuen Kunstgebäudes fällt vor allem jedem Beschauer auf,
daß der weitaus größte Bestand an ausgestellten Kunstgegenständen, Tafelgemälde
neben wenigen Entwürfen und Ausführungen von Glasgemälden und Fresken, nach
Form und Inhalt ganz traditionellen Charakter trägt, während Architektur und
Plastik in ihren nicht sehr zahlreichen Vertretern weit mehr, doch auch nur bei einem
Teil der Aussteller, das Gepräge neuzeitlichen Kunstschaffens zeigen. Im Vorsaal
'eben wir drei Glasgemälde von Walter Köhler, Rudolf Pelin jun. und Ina Hoßfeld,
wohl aus der Stuttgarter Glasmalerei von Saile hervorgegangen, eine respektable
Leistung technisch und künstlerisch, nur teilweise zu satte, dunkle Färbung: Szenen
aus Pauli Leben, Johannes auf Patmos, Paradies und Weihnachten. Ernst Grasers
Entwürfe für Kirchenfenster in Großheppach und Backnang verraten in figürlicher
2) 24. Juli 1929 Nr. 342.
3) Lannstatter Zeitung 19. Juli 1929 Nr. 167.
st Süddeutsche Zeitung 23. Juli 1929 Nr. 339.
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