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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 44.1929

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Heft 4
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Spectator, A.: "Kirchliche Kunst der Gegenwart" auf der Stuttgarter Ausstellung des evgl. Vereins für christl. Kunst 1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.15947#0136

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nach Technik und Charakteristik eine hervorragende Leistung, immerhin verrät er eine
außergewöhnliche Auffassung nach dem Urteil eines protestantischen Stuttgarter
Kunstkritikers:^ „Der Kopf eines jungen Kaplans, der geladen von Energien, ent-
zündet von Schwärmerei erscheint." Heinrich Mahls segnender Christus zeugt von
nüchterner Konvention oder konventioneller Nüchternheit.

III.

Photographien, Plane und einige Modelle sollen den heutigen Stand kirchlicher
Baukunst in der evangelischen Landeskirche vorführen, aber hier ist die Auswahl
noch weniger glücklich und vollständig als auf den beiden anderen der Architektur-
untergeordneten Kunstgebieten. Unter dieser kleinen, allzukleinen Auslese von prote-
stantischen Kirchenbaumeistern sind vor allem der Dresdener Professor W. Jost und
der Aachener Professor Th. Veil vertreten. Josts ländliche Kirche in Affstätt sucht
noch mit „historischen Anlehnungen Traulichkeit und moderne Geschmacklichkeit" zu
verbinden, wie der Berichterstatter des Stuttgarter Tagblatts sich milde ausdrückt.
Theodor Veils Lutherkirche in Ulm, ein Backsteinbau mit werksteinbesetzten Ecken und
einem in die Mitte der Fassade übereck gestellten Turm, ist ein Rückfall in architek-
tonische Sünden des letzten Jahrhunderts. Mehr Lob verdienen seine Kirchenfenster-
entwürfe. Dagegen bevorzugen die Stuttgarter Architekten Klatte und Weigle bei
der Bopserkirche und der Kirche für die Vorstadt Schwenningen kubische Baukörper.
Professor Martin Elsäßer in Frankfurt, der bewährte Schüler Theodor Fischers, weiß
sich in seinen: Entwurf für die Kirche in Rohr mit ihrer Fachwerkarchitektur der
ländlichen Landschaft trefflich anzupassen; in der Backsteinkirche für Eßlingen-Vorstadt
mit ihrem eigenartigen Grundriß sehen wir den interessanten Entwurf einer Tren-
nung von Gemeinde- und Freikirche, die nicht mehr wie vor wenigen Jahrzehnten nur
auf Nachahmung des ganz anderen Zwecken, dem kultischen Mittelpunkt des heiligen
Opfers dienenden katholischen Gotteshauses sich stützt, sondern den Jnnenraum nach
dem Hauptgegenstand des protestantischen Gottesdienstes, der Predigt, bestimmt. Aus
einer so zweck- und stilwidrig kopierten protestantischen Kirche in Saulgau haben die
Stuttgarter Architekten Vehr und Oelkrug einen geist- und geschmackvollen Bau
jüngst hergestellt und auch in den ganz neuen Kirchen in Bitz und Ottenbronn
moderne Lösungen versucht, ohne die äußere und innere Geschlossenheit neuzeitlicher
katholischer Kirchenbauten in Stadt und Land zu erreichen. Unter den Begriff
kirchlicher Kunst wird man nach dem Bericht eines protestantischen Fachmanns die
zahlreichen zweckdienlichen Gemeindehäuserentwürfe (Freudenstndt, Asperg, Heiden-
heim, Schramberg u. a.) von Klatte-Weigle u. a. kaum noch fallen lassen können.

Eine voriges Jahr fehlende Abteilung der kirchlichen Baukünstausstellung steuert
das Landesamt für Denkmalspflege in Stuttgart bei; in einer Reihe guter Photo-
graphien zeigt es zwei altehrwiirdige Kirchen: die Pfarrkirche in Weilheim OA. Kirch-
heim (gotische Wandmalereien) und die Alexanderkirche in Marbach a. R. (spätgotische
Architektur und Plastik) vor und nach der Restauration, die unter Leitung der
Stuttgarter Behörde erneuert wurden (besonders Bnurnt Professor Fiechter).

IV.

In der gegenüber der vorjährigen katholischen Kirchenkunstschau ebenfalls wenig
umfangreichen Graphikausstellung bestreitet der verstorbene Maler Wilh. Steinhaufen
den größten und besten Teil: Handzeichnungen, Skizzen voll feinster Stift- und
Pinselführung und ausdrucksvollster Charakteristik, voll tiefgläubiger Ehrfurcht, fern
jedem Naturalismus und Sensualismus. Bei ihrer Schätzung nach dem Maßstab alter
Kunst wundern Preise von 300—500 Mk. nicht. Walter Köhler gelingen Holzschnitte
in schwarz-weiß besser als Radierungen, die in E. Gräser und R. Kuhn (Verspottung

ch Stuttgarter Neues Tagblatt 1. August 1929 Nr. 356.

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