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Der Affenspiegel: satyrische Wochenschrift — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.48272#0021
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Heft 2.

„Der Asfenspiegel".

Seite 7.

Diener, Spucknäpfe, Aborte fehlen nicht, nnd jede einzelne Thiire
führt vor dos Angesicht einer Hochwohlweisen Staatsstütze. Man
sieht, es ist nicht wie bei armen Leuten; es ist alles da, nur kein
Geld. Doch das schadet nicht.
Ein Original Münchens ist die Trambahn, die hauptsächlich
als Trockenschwitzbad benützt wird, von Einheimischen wohl mich,
nm einmal Luft zu machen, nämlich ihrem Ärger, was für
die diversen Bäuche ein Hochgenuß sein soll. Früher wurden die
Trambahuwägeu von Pferden gezogen, jetzt betreibt sie die Direktion
elektrisch und zieht selbst — nämlich vom Portemonnaie des
Publikums. Eine eminent schöne Einrichtung ist der Rangirbahnhof
am Odcousplatz, der, wie man sagt, mit allerhöchster Genehmignng
direkt in die Nähe der Residenz verlegt wurde. Wie der Name
schon sagt, wird dort ansrangirt und gönnt man, nm den

Passagieren Gelegenheit zu geben, sich zu erholen, ihnen reichlich
eine halbe Stunde Zeit zur Rast. Wie wir von authentischer
Seite erfahren, soll auch ein kaltes Bnffet nm Rangicrbahuhos
errichtet werden; der Plan ist bisher mir deshalb noch nicht aus-
geführt worden, weil mau fürchtet, die kgl. Rösser möchten vor
der eventuellen Bnffetdnme, scheuen. Die Rösser scheuen nämlich
alle gerne in München, selbst die Kutscher scheuen — das Asphalt-
pflaster nämlich. Es rutscht sich bei Regenwetter wunderbar darauf,
und warum man den Münchnern bei Sturm die neue Sehens-
würdigkeit außer Damenstrümpfen und Dameuapfelkähnen (auch
Galloscheu gcuauut), das Beinbrechen etlicher Dutzend Droschken-
gäule nicht gönnen will, ist nicht ersichtlich. Von den Droschken-
gänlen, Kellnerinnen und dem Volksbad das nächstem»!!
Fritz.


Die Freunde.
Lustiges Drama in einem Acte von Robert Hcymann.
(Ein luxuriös eingerichteter Salon. Baron Berghofs sitzt in einem Fauteuil nnd liest. Der Diener öffnet die Thiire von Graf Szöley).

Bcrghoff: Ah — bon ^'our mein Lieber! Wie geht es ?
Szöley (stellt den Cylinder ans den Tisch, reicht seinem
Frcnnde die Hand nnd wirft sich bequem ans ein Sopha): Danke.
Ich fühle mich glücklich.
Bcrghoff: Komisch —
Szöley: Was ist da komisch ?
Berghoff: Wie kann sich ein moderner Mensch glücklich
fühlen ? Man fühlt sich angenehm, im besten Falle behaglich —
aber glücklich? — Äh — ich bin nie glücklich.
Szöley: Du siehst aber nicht so unglücktich aus! Dein
Leibesumfang -—
Berghoff: Ja, das ist verflucht! Ich sehe immer gut aus.
Und dabei habe ich heute Mittag wieder miserabel gespeist. Man
sieht mir das gar nicht au, was?
Szöley: Gar nicht — — Übrigens, was thust Du hier?
Berghoff: Geschäfte - und Du ?
Szöley: Hui — Privatangelegenheiten — aber - schließlich
(steht auf und zündet sich eine Cigarrette au) warum soll ich cs
Dir nicht gleich sagen — ich will mich verheiraten!
Bcrghoff: Armer Teufel! Und D u fühlst Dich g l ü ck lich?
Szöley: Vollkommen. Überglücklich.
Berghoff: Das ist nicht normal. Laß' Deinen Püls
fühlen — hm — Du bist sehr aufgeregt, mein Jnnge. Aber
wie konnte denn das Unglück so schnell kommen? Du hast doch
immer sehr regelmäßig gelebt!
Szöley: Ich verstehe Dich nicht —
Bcrghoff: Hast Du gejcut — he ? Fiasko gemacht?
Szöley: Aber ich bitte Dich. Du weißt doch, daß ich
schon lange keine Karte mehr aurühre.
Bcrghoff: Nein, mein Freund, das weiß man nie. Wenn
ein junger Mann schwört, er rühre keine Fran mehr an, so gehört
er wegen leichtsinnigem Meineid ins Zuchthaus.

Wenn er aber beteuert, er nehme keine Karte mehr in die
Hand, so ist das noch schlimmer. Er gehört ins Narrenhans.
Szöley: Na, lassen wir das. Also — Du gratulierst
mir, und —
Berghoff: Holla, nicht so schnell. Also Dein Einkommen
hat sich verringert? Beichte! Dein Verwalter hat geschrieben
schlechte Zeiten — die Bauern »vollen nicht zahlen — momentan
unmöglich — kenne das.
Szöley: Zum Teufel — nein! Mein Einkommen hat
sich um zehntausend Francs vermehrt!
Berghoff: Großartig! Ja, aber warum in aller Welt
willst Du denu dann eigentlich heiraten?
Szöley: Weil ich verliebt bin.
Berghoff: Auch das noch. Na weißt Du, eine solche
Schwäche hätte ich Dir nicht zugetraut!
Szöley: Ah —
Berghoff: Mau liebt läßt sich liebeu aber verliebt
sich — Weißt Du, so lange mau liebt, ist mau doch wenigstens
aktive Person — Handelnde Partei — Sobald man aber verliebt
ist, ist's ans. Man tritt dann in die Passivität — wird der
leidende Teil — verliert den Kopf — und mit dem Kops ist auch
der Verstand zum Teufel. Und das ist unangenehm. Wie man
aber verliebt sein und zugleich glücklich sein kann, ist mir hin-
wiederum ein Rätsel.
Und glücklich scheinst Du Dich ja in der That zu fühlen —
Szöley: Sogar sehr.
Berghoff: So — nnd wen willst Du denn dann
beglücken?
Szöley: Kannst Du fragen?
Bcrghoff: Ich weiß wirklich nicht —
Szöley: Ja, weshalb wäre ich denn hier?
Berghoff: Was? Doch nicht —
 
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